Ehefrau durfte Ai Weiwei besuchen

Peking (dpa) - Sechs Wochen ist Ai Weiwei schon inhaftiert. Es gibt immer noch keinen Haftbefehl. Die Familie ist nicht einmal über die Vorwürfe unterrichtet. Sein Anwalt kann ihn nicht besuchen.

Der berühmte Künstler und Regimekritiker kann nicht einmal Rechtsmittel gegen seine Inhaftierung einlegen. Chinas Regierung spricht vage von „Wirtschaftsverbrechen“, um den Vorwurf der politischen Verfolgung zurückweisen zu können. Doch beweist allein schon die Beteiligung der Staatssicherheit den politischen Charakter des Falles.

Am Sonntag arrangierte die Polizei erstmals ein Treffen mit seiner Frau Lu Qing. Vielleicht wollten die Behörden einfach nur anhaltende Gerüchte widerlegen, der 53-Jährige sei - wie andere schon vor ihm - in Haft gefoltert worden. „Weiwei sagte, sein Gesundheitszustand sei gut und seine Haftbedingungen seien nicht schlecht“, berichtete seine Schwester Gao Ge am Montag der Nachrichtenagentur dpa in Peking. Was dem mutigen Kritiker des kommunistischen Machtapparates in China aber konkret vorgeworfen wird, ist auch nach dem Treffen unklar.

Die Behandlung des wohl berühmtesten chinesischen Künstlers der Gegenwart ist typisch für den Umgang mit politisch unliebsamen Personen in China. Ähnlich wurde der heutige Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo nach seiner Inhaftierung im Dezember 2008 ein halbes Jahr ohne Anklage einfach festgehalten. Erst im Juni 2009 wurde der Vorwurf der „Untergrabung der Staatsgewalt“ erhoben. Ein halbes Jahr später wurde Ende 2009 das Urteil von zwölf Jahren Haft erlassen.

Auch der Jurist Gao Zhisheng ist seit einem Jahr verschwunden. Er zählte einst zu den zehn Spitzenanwälten Chinas, entwickelte sich zum Kritiker des Systems und nahm politisch heikle Fälle an. Zuletzt berichtete der 47-Jährige, wie er in Haft gefoltert worden sei. Seither wurde er nicht mehr gesehen. Es ist schon das zweite Mal, dass er wie vom Erdboden verschwunden ist.

Auch mehrere andere Bürgerrechtsanwälte sind wochenlang in Polizeigewahrsam gesteckt worden, seit in diesem Frühjahr die Aufrufe zu „Jasmin-Protesten“ nach arabischem Vorbild in China laut wurden. Der freimütige Anwalt Teng Biao kam erst nach 70 Tagen wieder auf freien Fuß. Er traut sich jetzt nicht mehr, mit ausländischen Journalisten zu sprechen.

Hausarrest ist ein ähnlich beliebtes Mittel, um Kritiker zum Schweigen zu bringen. Seit Ablauf seiner vierjährigen Haftzeit im September darf der blinde Aktivist Chen Guangcheng sein Haus in der Provinz Shandong nicht verlassen. Der juristische Autodidakt ist in Anlehnung an die „Barfußärzte“ revolutionärer Zeiten in China als „Barfußanwalt“ bekanntgeworden. Als er in einem Video seinen illegalen Freiheitsentzug anprangerte, wurden der 39-Jährige und seine Frau im Februar von Sicherheitsleuten verprügelt.

Willkür, Drohungen und Entführungen seien an der Tagesordnung, kritisieren Menschenrechtsgruppen. „Die Polizei ist der König - sowohl nach dem Gesetz als auch in der Praxis“, schreibt der Jurist und China-Experte Jeremy Cohen in der Hongkonger Zeitung „South China Morning Post“. „Das System bietet keine wirksamen Möglichkeiten für Anwälte, die selbstdienlichen, einfach rechtswidrigen Interpretationen durch die Polizei und den Missbrauch des Gesetzes anzufechten.“

Rechtlose Opfer sind auch viele Bittsteller, die in Peking bei amtlichen Stellen gegen Ungerechtigkeit protestieren wollen, aber dafür routinemäßig in „schwarzen Gefängnissen“ landen. Auch weist die Polizei jedes Jahr zehntausende Menschen - von Kleinkriminellen über Prostituierte bis hin zu politischen „Unruhestiftern“ - ohne Gerichtsverfahren bis zu drei Jahre in Umerziehungslager ein. Obwohl diese „Administrativhaft“ gegen die von China unterzeichneten UN-Menschenrechtsstandards verstößt, ist eine Abschaffung nicht geplant.