Ehrgeiziger Obama will Amerika wieder stark machen
Washington (dpa) - Mit einem ehrgeizigen Programm will Präsident Barack Obama die USA wieder zur wirtschaftlichen Supermacht machen.
Nach Jahren der Krise und teuren Kriegen sollen Milliardeninvestitionen in Bildung, Infrastruktur und erneuerbare Energien sowie eine amerikanisch-europäische Freihandelszone das Land zu neuem Wohlstand führen. Das kündigte Obama in seiner mit Spannung erwarteten Rede zur Lage der Nation am Dienstagabend (Ortszeit) vor dem Kongress in Washington an. Große Militäreinsätze wie im Irak und in Afghanistan sollen der Vergangenheit angehören.
Ins Zentrum seiner Vision für die zweite Amtszeit stellte Obama die soziale Gerechtigkeit. Er forderte höhere Mindestlöhne und eine gerechte Steuerreform. „Es ist die Aufgabe unserer Generation, den wahren Motor von Amerikas wirtschaftlichem Wachstum erneut zu zünden - eine aufstrebende, gedeihende Mittelschicht.“ Der Defizitabbau dagegen habe keine hohe Priorität mehr. „Weniger Schulden alleine sind kein volkswirtschaftlicher Plan.“
Deutschland reagierte mit großem Interesse auf Obamas Ankündigung, mit den Europäern die größte Freihandelszone der Welt schaffen zu wollen. „Handel, der frei und fair über den Atlantik verläuft, unterstützt Millionen gut bezahlter amerikanischer Arbeitsplätze“, sagte der US-Präsident. Die Bundesregierung wünscht sich schnelle Fortschritte: „Ich hoffe, dass hier zügig Nägel mit Köpfen gemacht werden können“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP).
„Ein Abkommen zwischen den beiden wichtigsten Wirtschaftsmächten der Welt wäre ein völliger Umbruch“, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Die Verhandlungen sollten möglichst noch vor Ende Juni beginnen. Die deutsche Autobranche erwartet von einem Abkommen einen starken Impuls. „Das könnte 1,5 Prozent Wachstum bedeuten für den transatlantischen Raum“, sagte der Präsident des Verbandes des Automobilindustrie, Matthias Wissmann
Im außenpolitischen Teil kündigte Obama an, die US-Truppenstärke in Afghanistan binnen eines Jahres um 34 000 Soldaten zu halbieren. „Und bis zum Ende des kommenden Jahres wird unser Krieg vorbei sein.“ Der Einsatz wandele sich zu einer Ausbildungsmission.
Die afghanische Regierung begrüßte die Pläne. „Wir sind fest davon überzeugt, dass unsere nationalen Sicherheitskräfte vollkommen in der Lage sein werden, umfassende Sicherheit überall im Land zu gewährleisten“, sagte ein Außenamtssprecher. Der US-Abzug „korrespondiert mit den eigenen Planungen“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Deutschland will sein Kontingent bis Ende Februar von rund 4300 auf 3300 verringern.
Einmal mehr verdeutlichte Obama, sein Militär künftig nicht mehr an vorderster Front in große Kriege schicken zu wollen. Der Anti-Terror-Kampf, der sich von der arabischen Halbinsel nach Afrika verlagere, müsse nicht mehr mit Zehntausenden US-Soldaten in Übersee geführt werden. „Stattdessen helfen wir Ländern wie dem Jemen, Libyen und Somalia dabei, ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten.“ Zudem kündigte der Präsident an, seine Strategie der Terrorbekämpfung etwa mit unbemannten Flugzeugen künftig transparenter machen zu wollen.
Den nordkoreanischen Atomtest am Dienstag kritisierte Obama erneut. „Provokationen“ wie diese würden das Land nur weiter isolieren. Den Iran würden die USA mit allen Mitteln daran hindern, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Mit Russland wolle die US-Regierung über einen weiteren Abbau des Nuklearwaffenarsenals verhandeln.
In der Klimapolitik laute sein aktuelles Ziel, in den kommenden 20 Jahren die Energieverschwendung der US-Haushalte und Unternehmen zu halbieren, sagte Obama. Er werde sein Kabinett auffordern, Lösungen zu finden, mit denen die Umweltverschmutzung verringert werden und der Übergang zu nachhaltigen Energiequellen schneller gelingen könne.
Sehr viel Applaus auch von Republikanern erhielt der Präsident, als er zwei Monate nach dem Schulmassaker von Newtown mit 20 toten Kindern im Hinblick auf die Waffengesetze „Maßnahmen des gesunden Menschenverstands“ forderte.
Der republikanische Senator Marco Rubio kritisierte Obamas wirtschaftlichen Ansatz und unterstrich die Ansicht der Republikaner, dass nur eine freie Marktwirtschaft die Quelle für Wohlstand sei. „Aber Präsident Obama? Er glaubt, sie ist der Grund für unsere Probleme“, meinte Rubio.