Ein Zeichen gegen die antisemitischen Hetzer

Jüdischer Weltkongress tagt in Budapest — als Mahnung an rechtspopulistische Regierung.

Budapest. Waren es „Hunderte Neofaschisten“, die am Wochenende in Budapest zu einer „antizionistischen Kundgebung aufmarschierten“? Oder haben „wenige Hundert Menschen“ aus Anlass des Jüdischen Weltkongresses schlicht „demonstriert“? Von solchen verbalen Feinheiten leiten Ungarns linksliberale und nationalkonservative Kommentatoren ihre höchst unterschiedlichen Antworten auf eine weitere Frage ab: Wie antisemitisch ist das Land unter dem rechtspopulistischen Premier Viktor Orban?

Die einen schlagen Alarm, die anderen wiegeln ab. Tatsache ist, dass der Jüdische Weltkongress (WJC) nicht zufällig in Budapest tagt. Sein Präsident Ronald S. Lauder versteht die Wahl des Konferenzortes als Mahnung an die Orban-Regierung, von einem „gefährlichen Irrweg“ abzulassen. Judenhetze drohe in Ungarn wieder salonfähig zu werden, sagt er.

Wie zum Beweis für Lauders These versammelten sich am Samstag rund 500 Anhänger der rechtsextremen „Bewegung für ein besseres Ungarn“ (Jobbik) in Budapest. Dennoch bleibt die Frage, ob diese schon jene kritische Masse bilden, die ausreicht, um Ungarn an den Pranger des Antisemitismus zu stellen. Dagegen wehrt sich Orban. Er sagte am Sonntag vor dem Plenum des WJC: „Antisemitismus ist inakzeptabel und nicht zu dulden.“ Maßnahmen, um ihn in Ungarn einzudämmen, nannte er jedoch nicht.

Orban-Kritiker verweisen auf Vorgänge, die auch WJC-Präsident Lauder alarmieren. So hatte der Jobbik-Politiker Marton Gyöngyösi, dessen Partei bei der Wahl auf 17 Prozent kam, gefordert, die ungarischen Juden auf Listen zu erfassen. Am Sonntag sagte Gyöngyösi: „Der Völkermord, den Israel an den Palästinensern begeht, ist schlimmer als das, was sich die Nazis erträumt haben.“ Er ist kein Einzelfall. Der Publizist Zsolt Bayer, Mitgründer der Orban-Partei, verbreitet immer wieder antisemitische Tiraden.

Wie antisemitisch also ist Ungarn? Eine Studie der New Yorker Anti-Defamation League stellt fest, seit 2009 habe die Bedeutung antisemitischer Stereotypen in dem Land „dramatisch zugenommen“. Fast drei von vier Ungarn glauben demnach, dass Juden in der Wirtschaft, vor allem in der Finanzindustrie, zu viel Macht besitzen. Das sind mehr als doppelt so viele wie im Schnitt der getesteten zehn EU-Länder.