Eine Million für die Memoiren

Wikileaks: Mit dem Geld will Julian Assange seine Prozesse bezahlen und das Unternehmen retten.

London. Julian Assange hat sich warm angezogen über Weihnachten. Auf Ellingham Hall, dem Landsitz seines Freundes Vaughan Smith, genießt der Australier nach einer Woche Untersuchungshaft zwar zumindest eine gewisse Bewegungsfreiheit. Aber mehr als um die Gerechtigkeit scheint er im Moment für die eigene Zukunft zu kämpfen. Und er hat wohl inzwischen gemerkt, wie das Spiel heißt, auf das er sich mit seinen Veröffentlichungen eingelassen hat: „Julian gegen den Rest der Welt.“ So könnte auch der Titel seiner Memoiren lauten, die er jetzt schreiben will.

Nicht nur viele Regierungen auf der ganzen Welt — allen voran die USA — und die schwedische Justiz haben Assange im Visier. Visa, Mastercard und Bank of America transportieren kein Geld mehr auf Wikileaks-Konten. Der Geldfluss ist gehemmt. Der Australier selbst braucht Geld für seine Prozesse. Wikileaks braucht Geld, um fortbestehen zu können. Seine Biografie zu schreiben, liegt als Einnahmequelle nahe. „Ich will dieses Buch nicht schreiben, aber ich muss“, sagt der 39-Jährige.

Eine Million Pfund (rund 1,17 Millionen Euro) will er damit einspielen. Entsprechende Verträge mit dem renommierten US-Verlag Alfred A. Knopf — einer Tochter des deutschen Bertelsmann-Konzerns — und einem Verlag aus Schottland hat Assange bereits in der Tasche. Damit bleibt er deutlich hinter anderen prominenten Memoiren-Schreibern zurück. Tony Blair, ehemaliger britischer Premierminister und wegen des Irak-Kriegs auch von Assange kritisiert, hat kürzlich das vierfache mit seiner Autobiografie („A Journey“) verdient — und das Geld gespendet.

Wikileaks, 2006 vor allem auf Initiative chinesischer Dissidenten gegründet, war wegen seiner Veröffentlichungen in den letzten Jahren Staatsfeind vieler Länder-Diktaturen wie Nordkorea und Iran, aber auch Länder wie Israel und Thailand hatten Blockaden gegen die Internetaktivisten errichtet. All das dürfte in den Memoiren eine Rolle spielen. Den meisten Platz wird jedoch das Jahr 2010 einnehmen.

Mit einem Video über einen US-Hubschrauberangriff im Irak, bei dem die Besatzung auf Unschuldige feuerte und dabei Witze riss, fing alles an. Afghanistan folgte, dann weitere Irak-Akten, schließlich „Cablegate“ mit Tausenden diplomatischen Depeschen. Das Jahr bedeutete auch ein Umschwenken in der Ausrichtung der Plattform. Mehrere Wikileaks-Aktivisten kehrten Assange den Rücken.

Schließlich ist das zu Ende gehende Jahr für Julian Assange auch persönlich bedeutend. Nach ungeschütztem Sex mit zwei Schwedinnen im August musste er in Großbritannien ins Gefängnis. Jetzt lebt der Mann, der in den letzten Jahren keinen festen Wohnsitz mehr hatte, mit Fußfessel auf einem englischen Landgut. Aber auch auf der Habenseite hat er einiges stehen: Die französische Zeitung „Le Monde“ kürte ihn zum „Mann des Jahres“, die Leser des US-Magazins „Time“ halten ihn für die „einflussreichste Person des Jahres“.