Enthüllung der Internet-Spionage: 29-Jähriger fordert die USA heraus

Edward Snowden gibt sich als Informant zu erkennen, der die Überwachung des Internets durch die NSA öffentlich machte.

Hongkong. Sagt Edward Snowden die Wahrheit, ist die Realität noch viel haarsträubender als alle Vorstellungen. Nicht genug, dass der US-Geheimdienst NSA ein weltumspannendes Netz geknüpft hat, das alles und jeden überwachen kann. Offenbar vertraut die Abhörbehörde den Generalschlüssel zu dieser Welt auch noch einer Menge von Leuten an.

Snowden (29) ist nach eigenen Angaben der Informant, der die geheimen Unterlagen für die Berichte über ein massenhaftes Abgreifen von Nutzerdaten bei Internetfirmen an Medien gab. Er floh demnach mit den NSA-Dokumenten von seinem Wohnort Hawaii nach Hongkong. Er wolle mit dem Geheimnisverrat die ausufernde Überwachung öffentlich machen, sagte Snowden dem britischen „Guardian“. Er suche „Asyl bei jedem Land, das an Redefreiheit glaubt und dagegen eintritt, die weltweite Privatsphäre zu opfern“.

Dabei war er nicht einmal waschechter NSA-Mitarbeiter, sondern bei einer externen Beratungsfirma angestellt — stationiert auf Hawaii. Ein High-School-Abbrecher mit einfacher Ausbildung, kein gestandener Geheimdienst-Analyst. Und dennoch hätte Snowden nach eigenen Worten sogar die private E-Mail-Adresse des US-Präsidenten ausspionieren können, von der eines Bundesrichters ganz zu schweigen.

„Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist“, sagt er in dem Interview mit dem „Guardian“, in dem er sich zum Geheimnisverrat bekannte. „Die NSA hat eine Infrastruktur aufgebaut, die ihr erlaubt, fast alles abzufangen.“ Einen Journalisten der „Washington Post“ warnte Snowden, der Geheimdienst würde ihn „mit ziemlicher Sicherheit töten“, wenn dadurch die Enthüllungen gestoppt werden könnten. „Für mich gibt es keine Rettung“, fügte er resigniert hinzu.

Snowden wirkt in dem Video zum Interview nicht wie ein Spinner. Der blasse junge Mann mit Brille und Dreitagebart spricht bedächtig, präzise und unaufgeregt. Ganz abgesehen davon, dass er nach eigenen Worten eine Freundin auf Hawaii, seine Familie in den USA und ein sicheres Einkommen von 200 000 Dollar im Jahr zurückgelassen hat.

Snowden berichtete, er habe die letzten Dokumente kopiert, sich krank gemeldet, seiner Freundin nur gesagt, dass er für ein paar Wochen verreist, dann sei er ins Flugzeug nach Hongkong gestiegen. Verlässt er sein Hotelzimmer, stellt er eine Flasche Soja-Soße hinter die Tür — damit ein unvorsichtiger Besucher Spuren hinterlässt. Sein Schritt aus der Anonymität dürfte da als eine Art Lebensversicherung kalkuliert sein.

Denn die Tragweite von Snowdens Vorwürfen ist enorm: Stimmt seine Darstellung von einem nahezu grenzenlosen Aufsaugen der weltweiten Kommunikationsdaten, wären die Dementis der US-Regierung und der Internet-Konzerne in den vergangenen Tagen auf einen Schlag bedeutungslos.