Erdogan punktet mit Stabilität

Weil Wohlstand und Wirtschaftskraft wachsen, nehmen die Wähler auch den autoritären Regierungsstil in Ankara hin.

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Istanbul. Den Wählern in der Türkei ist das Hemd näher als der Rock. Mit dem Versprechen einer wirtschaftlich erfolgreichen und unbeugsamen Türkei konnte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bei der Kommunalwahl erneut einen Sieg einfahren. Dass er in den vergangenen Jahren immer autoritärer geworden ist, scheint viele Anhänger nicht zu stören.

Der starke Mann vom Bosporus als Wohltäter der Nation: „Er hat soviel Gutes für uns getan“, sagte eine Anhängerin in Istanbul. „Wir sind ihm dankbar. Selbst wenn er Geld für sich genommen hätte.“

Mit landesweit mehr als 45 Prozent der Stimmen ist Erdogans islamisch-konservative AKP erneut stärkste politische Kraft geworden. Im Vergleich zur Lokalwahl 2009 hat sie gut sechs Prozentpunkte gewonnen — Erdogan selbst geht gestärkt aus der Wahl hervor.

„Die Wahrheit ist: In jedem anderen demokratischen Land hätte die Hälfte der Korruptionsvorwürfe die Regierung zusammenbrechen lassen“, schrieb der türkische Journalist Murat Yetkin. „Die Mehrheit der Wähler hat Augen und Ohren vor den Korruptionsvorwürfen verschlossen, weil Erdogan ihnen dies gesagt hat. So groß ist sein Einfluss auf sie noch immer.“

Die klassischen Medien — Zeitungen und Fernsehsender — hat er unter seine Kontrolle gebracht. Das konnte Erdogan nun ausspielen. Stundenlang übertrugen die Sender seine kämpferischen Reden, oftmals aus mehreren Städten in Folge. Zehntausende, manchmal Hunderttausende Anhänger jubelten.

Den Streit um die Sperre des Nachrichtendienstes Twitter und der Videoseite Youtube konterte Erdogan mit patriotischen Appellen und der Warnung vor Verschwörern und Chaos. Kritikern versperrte er damit wichtige Kommunikationskanäle.

Zudem erinnern sich viele Türken auch noch an die Zeit vor Erdogan, als ihr Land von einer instabilen Regierung zur nächsten hangelte und sich der Müll in den Straßen der Großstädte türmte. Nun wird der Nahverkehr ausgebaut. Erdogan hat in Istanbul Megaprojekte wie einen dritten Flughafen angestoßen. Das Pro-Kopf-Einkommen hat sich unter seiner Führung statistisch verdreifacht. Wohl kein anderer Politiker seit dem Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk (1881-1938) hat das Land so verändert wie Erdogan.

Nach dem Wahlsieg sucht er nun die Abrechnung mit seinen Gegnern, die er „bis in ihre Höhlen“ verfolgen will. Die Botschaft der AKP-Wähler sei klar: „Dieses Land gehört uns. Das Volk wird sich nicht beugen. Die Türkei ist unbesiegbar“, sagte er. Die Drohungen Erdogans richten sich an die Kräfte, die seiner Ansicht nach hinter den Abhöraktionen stehen.

Die AKP beschuldigt vor allem die Bewegung des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen. Diese verfügte bislang in Polizei und Justiz über erheblichen Einfluss. Deswegen hat die AKP-Regierung in den vergangenen Monaten Tausende Beamte zwangsversetzt.