EU-Kommission droht Ungarn mit Verfahren vor EU-Gericht
Brüssel (dpa) - Die EU-Kommission droht der rechtskonservativen Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof.
Sofern Budapest nicht innerhalb eines Monats zur Änderung von zwei Gesetzen bereit sei, könne ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge eingeleitet werden, sagte eine Sprecherin der Kommission am Mittwoch in Brüssel. Die Gesetze, die nach Ansicht der Kommission geändert werden müssen, sehen die Versetzung von 274 Richtern in den Ruhestand vor und ermöglichen eine rasche Abberufung des Datenschutzbeauftragten.
Die EU-Kommission verlangte zugleich von Orban detaillierte Auskunft über die von diesem bereits angekündigte, ebenfalls von der EU erzwungene Revision eines Gesetzes über die Nationalbank. „Wir brauchen Klarheit, wir müssen den Gesetzentwurf sehen“, sagte die Sprecherin.
Die ungarische Regierung begrüßte am Mittwoch, dass die EU „90 Prozent“ ihrer bisherigen Antworten für ausreichend halte. Die neuen Gesetzesentwürfe seien am Mittwoch von der Regierung beschlossen worden und würden „noch an diesem Tag“ nach Brüssel geschickt. In allen anderen Fragen sei man „zu weiterem Dialog mit der EU-Kommission bereit“.
Die Kommission sieht eine Gefahr für die Unabhängigkeit der Zentralbank unter anderem durch Erklärungen der Regierung, in denen ständig Entscheidungen der Notenbank kritisiert würden. Außerdem könne eine drastische Gehaltskürzung um etwa 70 Prozent für den Präsidenten der Notenbank dazu dienen, Druck auf diesen auszuüben.
Bis zur Antwort in Sachen Notenbank bleiben Gespräche der Regierung Orban mit der EU-Kommission über Milliardenhilfen für den pleitebedrohten Staat auf Eis gelegt. Ungarn braucht eigenen Angaben zufolge in Kürze zwischen 15 und 20 Milliarden Euro, um dem Staatsbankrott zu entgehen. „Wir brauchen Klarheit, bevor die Gespräche beginnen können“, sagte die Kommissionssprecherin.
In einer Erklärung der für Grundrechte zuständigen EU-Kommissarin Viviane Reding vom Mittwoch heißt es, die Antworten aus Budapest reichten nicht aus. Die nur befristete Senkung des Rentenalters für Richter werfe Fragen zur Unabhängigkeit der Justiz auf.
EU-Währungskommissar Olli Rehn begrüßte die grundsätzliche Bereitschaft der Regierung Orban, das Gesetz über die Nationalbank zu ändern. Die Kommission brauche jedoch klare Verpflichtungen, beispielsweise den Gesetzestext. Dann könne sie entscheiden, ob sie auf ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof verzichten könne.
Die EU-Kommission setzte der Regierung eine Frist von einem Monat, obwohl normalerweise zwei Monate gelten. Dies wurde damit begründet, dass die fraglichen Gesetze bereits in Kraft sind.
Wegen eines zu hohen Haushaltsdefizits hatte die EU-Kommission Ungarn im Februar mit dem Verlust von 495 Millionen Euro aus dem EU-Kohäsionsfonds gedroht. Dieses Geld wird gestrichen, wenn Ungarn nicht bis Ende dieses Jahres das Defizit unter Kontrolle bringt.