EU treibt Pläne für Anti-Schleuser-Aktion voran

Brüssel/Belek (dpa) - Nach den tragischen Bootsunglücken im Mittelmeer treibt die Europäische Union die Pläne für eine umfassende Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik voran.

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Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte im türkischen Belek, er rechne mit der Zustimmung des UN-Sicherheitsrats für Militäreinsätze gegen Schleuserbanden. Bereits am Vortag hatte die EU-Kommission in Brüssel angekündigt, Flüchtlinge künftig per Quoten gerechter auf alle EU-Staaten verteilen zu wollen.

Grundlage der aktuellen Vorbereitungen für einen Militäreinsatz ist ein als vertraulich eingestuftes Konzept der EU-Außenbeauftragten Federicia Mogherini. In dem der Deutschen Presse-Agentur vorliegenden Papier wird vorgeschlagen, den Kampf gegen die Schleuserbanden in vier Phasen zu untergliedern. In einem ersten Schritt würde demnach mit Hilfe von Geheimdienstinformationen und militärischen Aufklärungskapazitäten ein genaues Lagebild erstellt.

In der zweiten Phase könnten Schiffe auf Hoher See gestoppt und beschlagnahmt werden. Schritt drei wäre die Zerstörung von Schiffen in libyschen Hoheitsgewässern oder sogar an der Küste des Bürgerkriegslandes. Sollte sich die Lage in Libyen stabilisieren, will die EU in Phase vier die dortigen Sicherheitskräfte beim Wiederaufbau des Grenzschutzsystems unterstützen.

Bereits am Montag könnten bei einer EU-Ratssitzung in Brüssel Entscheidungen zum weiteren Vorgehen getroffen werden. Zu dem Treffen werden alle Außen- und Verteidigungsminister der 28 Mitgliedstaaten erwartet.

Über viele Detailfragen wird derzeit noch diskutiert. Als politisches Risiko der Pläne gelten mögliche negative Auswirkungen auf die UN-Friedensbemühungen in Libyen. Steinmeier sagte beispielsweise am Rande eines Nato-Treffens in der Türkei, er halte die Bedingungen für Operationen in Libyen derzeit nicht für gegeben.

Seit Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi 2011 mit Unterstützung des Westens gestürzt wurde, ist die staatliche Ordnung in dem Land zusammengebrochen. Zwei Regierungen und Dutzende islamistische Milizen ringen um Einfluss. Vermittlungsbemühungen aus dem Ausland blieben bisher erfolglos.

Auch mit Blick auf das gewünschte Mandat des UN-Sicherheitsrats gibt es skeptische Stimmen. „Ich glaube, dass wir realistisch sein müssen. Ich glaube nicht, dass wir ein internationales Mandat bekommen werden, um Schiffe zu bombardieren und sie zu versenken“, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn in einem Interview von ARD und ZDF. Von den fünf Vetomächten gilt vor allem Russland als Staat, der überzeugt werden muss.

Als mindestens ebenso heikel gelten die Pläne zur Umverteilung von Flüchtlingen. Die britische Innenministerin Theresa May kündigte bereits an, ihr Land werde nicht am Quotensystem teilnehmen: „Wir können nicht etwas tun, das noch mehr Menschen dazu ermuntert, sich auf diese lebensgefährlichen Reisen zu begeben.“ Großbritannien hat das Recht, in diesem Bereich aus gemeinsamen Beschlüssen auszusteigen („Opt Out“). Auch Ungarn, Tschechien, die Slowakei, Polen sowie die baltischen Staaten lehnen das Vorhaben ab.

Die Bundesregierung begrüßt den Vorschlag hingegen - trotz der Tatsache, dass auf Deutschland mit 18,42 Prozent die meisten der umverteilten Migranten entfallen würden. „Alle Mitgliedstaaten tragen gemeinsame Verantwortung, Flüchtlinge aufzunehmen“, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU).

Bei den Asylbewerbern entfiel auf Deutschland laut EU-Statistikbehörde Eurostat bereits 2014 mit 202 700 Anträgen der Löwenanteil in der EU (knapp ein Drittel).

Der Vorschlag der EU-Kommission wird erst dann Gesetz, wenn die nötige Mehrheit unter den EU-Staaten zustande kommt. Ob das gelingt, ist offen. Konkrete Gesetzesentwürfe zur Verteilung will die EU-Kommission Ende Mai vorlegen.

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach äußerte sich mit Blick darauf skeptisch. Dass es Handlungsbedarf gebe sei unstrittig, sagte er der „Oldenburger Nordwest-Zeitung“ (Freitag). „Wer aber entscheidet nach welchen Kriterien letztendlich darüber, welche Flüchtlinge nach Deutschland oder Österreich kommen und welche nach Litauen oder Rumänien? Und wie gewährleisten wir, dass die Flüchtlinge bei offenen Grenzen nicht einfach in das Land ihrer Wahl weiterwandern?“ Fakt sei: „Je höher der Lebensstandard, je besser der Rechtsschutz, desto attraktiver das Land.“

Zu den weiteren Plänen der EU-Kommission zählt eine Erleichterung der legalen Einwanderung durch modernere Regeln für die Arbeitserlaubnis („Blue Card“). Zudem will die Behörde die Außengrenzen besser sichern und die Regeln des Europäischen Asylsystems umsetzen, etwa indem alle EU-Staaten systematisch Fingerabdrücke von Flüchtlingen nehmen.

Als Pilotprojekt soll bis Jahresende im afrikanischen Niger ein Zentrum für ausreisewillige Menschen entstehen. Dort sollen sie Informationen zu ihren Chancen auf Asyl bekommen.