EU verlangt Kennzeichnung von israelischen Siedlerprodukten

Brüssel (dpa) - Verbraucher in der EU haben künftig die Möglichkeit, israelische Siedlerprodukte aus besetzten arabischen Gebieten zu kaufen oder bewusst zu boykottieren.

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Die EU-Kommission beschloss eine Kennzeichnungspflicht für Obst, Gemüse und andere landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Siedlungen im Westjordanland, auf den Golanhöhen sowie aus Ost-Jerusalem. Freiwillig bleibt die Herkunftsangabe nur für die meisten verarbeiteten Produkte mit der Ausnahme von Kosmetika. Erzeugnisse, die in Israel hergestellt werden, sind von der Regelung nicht betroffen.

In einer ersten Reaktion setzte Israel seinen Dialog mit der Europäischen Union vorerst aus. Der EU-Botschafter in Tel Aviv, Lars Faaborg-Andersen, war am Abend zu einem Treffen mit Mitarbeitern des Außenministeriums in Jerusalem geladen worden, wie das Ministerium meldete. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass Israel die Gespräche in „verschiedenen Foren“, „die in den kommenden Wochen stattfinden sollten“, auf Eis lege.

Während die Palästinenserführung die Entscheidung begrüßte, verurteilte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu die neue Kennzeichnungspflicht scharf: „Die Europäische Union sollte sich schämen“, sagte der Regierungschef nach Angaben seines Büros. Ihre Entscheidung beweise „Heuchelei und Doppelmoral“, weil sie sich nur auf Israel und nicht auf rund 200 andere Konflikte in der Welt beziehe.

Dagegen sagte der ehemalige palästinensische Chefunterhändler mit Israel, Saeb Erekat: „Es ist ein wichtiger Schritt in Richtung eines totalen Boykotts israelischer Siedlungen, die auf illegal besetztem Palästinensergebiet gebaut sind.“

In Brüssel wurde betont, dass mit der Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen nur bestehendes Recht umgesetzt werde. „Das ist eine technische Sache, kein politisches Zeichen“, kommentierte Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Die EU unterstütze keineswegs einen Boykott oder Sanktionen gegen Israel.

Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass für die EU die besetzten Gebiete nicht zu Israel gehören. „Die politische Linie der EU ist es, dass die besetzten Gebiete nicht Teil des israelischen Hoheitsgebietes sind. Und deswegen kann kein Produkt von dort als „Made in Israel“ gekennzeichnet werden“, hieß es aus Kommissionskreisen.

Die EU betrachtet wie die meisten Staaten israelische Siedlungen in den besetzten Gebieten als illegal. Aus ihrer Sicht sind sie ein Haupthindernis auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung.

Nach Schätzungen der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem leben im Westjordanland und in Ost-Jerusalem 550 000 sowie auf den Golanhöhen 20 000 Israelis. Allein im Westjordanland hat sich die Zahl der Siedler seit Beginn des Osloer-Friedensprozesses, der zu einem Palästinenserstaat führen sollte, mehr als verdreifacht.

In Israel waren schon die Vorbereitungen für die Kennzeichnungspflicht heftig kritisiert worden. Der frühere Außenminister Avigdor Lieberman sagte beispielsweise, die geplante Vorschrift erinnere ihn an den gelben Stern, den Juden zur Zwangskennzeichnung im deutschen Nationalsozialismus tragen mussten.

Der israelische EU-Botschafter David Walzer drohte offen damit, dass Israel die EU eventuell nicht mehr wie bisher als Vermittler im Nahost-Friedensprozess akzeptieren werde. In EU-Kreisen wurde von einer möglichen Überreaktion in der Hitze des Gefechts gesprochen.

Die israelisch-palästinensische Handelskammer geht davon aus, dass die Neuregelung keine größere Auswirkungen auf die israelische Wirtschaft haben wird. Ihr Präsident David Simcha sagte, der Export aus den Siedlungen stelle nur einen winzigen Bruchteil des israelischen Exportvolumens dar.

Nach EU-Zahlen importierten Mitgliedstaaten im vergangenen Jahr Waren im Wert von rund 140 Millionen Euro aus besetzten Gebieten. Aus Israel selbst waren es Waren im Wert von rund 13 Milliarden Euro.

Über die nun getroffene Entscheidung war innerhalb der EU seit Jahren diskutiert worden. Zuletzt hatten im Frühjahr 16 EU-Außenminister unter anderem aus Frankreich, Großbritannien und Österreich die EU-Kommission in einem Schreiben aufgefordert, die Kennzeichnung eindeutig festzuschreiben. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gehörte damals zu den EU-Ministern, die das Papier nicht unterschrieben.

Die Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern liegen seit April vergangenen Jahres auf Eis. Die US-Regierung - der wichtigste Vermittler - scheint die Hoffnung auf Friedensgespräche vor Ende von Obamas Amtszeit im Januar 2017 aufgegeben zu haben.