Ex-Staatschef Gbagbo hört Anklage vor Weltstrafgericht

Den Haag (dpa) - Zum ersten Mal in seiner Geschichte hat der Internationale Strafgerichtshof am Dienstag ein Verfahren gegen ein ehemaliges Staatsoberhaupt eröffnet.

Chefanklägerin Fatou Bensouda beschuldigte den früheren Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach der Präsidentenwahl in dem afrikanischen Land Ende 2010. „Es geht um einen Präsidenten, der den politischen, demokratischen Prozess opferte und sich für Gewalt und Verbrechen entschied, um an der Macht zu bleiben.“

Der 67-Jährige Ex-Präsident sei für die Ermordung, Vergewaltigung und Verfolgung von Hunderten politischen Gegnern verantwortlich, sagte Bensouda. Sie will beweisen, dass Gbagbo die Sicherheitsdienste und Militärs kontrollierte und Befehle für die Gewalttaten gab. Nach der verloren Wahl hatte Gbagbo sich geweigert, den Weg für seinen Widersacher und heutigen Präsidenten Alassane Ouattara frei zu machen. Die Gewalt stürzte das Land in ein Chaos, sagte die Chefanklägerin. „In nur wenigen Tagen wurden aus Wählern Opfer.“

Der in einen dunklen Anzug gekleidete Gbagbo zeigte bei der Erklärung der Anklägerin äußerlich keine Regung. Dies sei kein „politisches Verfahren“, betonte sie. Gbagbo sei verantwortlich für die Ermordung von mindestens 166 Menschen, die Vergewaltigung von 34 Frauen und Mädchen sowie die Misshandlung von 94 weiteren Personen. Seine Anhänger hätten Wohnviertel mit Granaten beschossen. „Er trägt die größte Verantwortung für einige der schlimmsten Verbrechen in der Krise nach den Wahlen,“ sagte Bensouda. Vom 16. Dezember 2010 bis 12. April 2011 wurden mindestens 3000 Menschen getötet.

Die Verteidiger beantragten die Niederschlagung des Verfahrens. Mit den Gewalttaten müssten sich die Gerichte der Elfenbeinküste befassen. Das Weltstrafgericht sei nicht zuständig.

Die Richter des Weltstrafgerichtes müssen bei dem bis zum 28. Februar dauernden Vorverfahren entscheiden, ob die Beweise für ein Hauptverfahren ausreichen. Gbagbo selbst darf erst am Ende der Anhörung das Wort ergreifen.

Vor dem schwer bewachten Gerichtsgebäude in Den Haag demonstrierten einige hundert Anhänger Gbagbos. „Free Gbagbo“ riefen sie. Vertreter von Menschenrechtsorganisationen begrüßten die strafrechtliche Verfolgung, beklagten allerdings, dass Anhängern des heutigen Präsidenten der Elfenbeinküste, Ouattara, nicht der Prozess gemacht werde. „Verbrechen wurden auf beiden Seiten während des Konflikts begangen“, erklärte Francis Dako von der Koalition von Menschenrechtsorganisationen beim Strafgerichtshof.