Wie sich Spaniens Parteien jahrelang gegenseitig bespitzelten
Politische Gegner suchten Munition für einen „schmutzigen Krieg“. Möglicherweise mischte dabei sogar der Geheimdienst mit.
Madrid. Jahrelang sollen in Spanien Politiker verschiedener Parteien durch ein Detektivbüro ausspioniert worden sein. Auftraggeber der illegalen Schnüffelei waren offenbar politische Gegner, die Munition für einen „schmutzigen Krieg“ suchten.
Die führenden Köpfe der Detektei im nordspanischen Barcelona, der Hauptstadt Kataloniens, wurden inzwischen festgenommen. Nun sucht die Polizei die Auftraggeber der unerlaubten Abhöraktionen. Bei ihren Ermittlungen stießen die Beamten auf eine Mauer des Schweigens und auf ein undurchsichtiges Netz aus politischen Intrigen, Lügen und Korruption.
Bisher weiß man nur, dass die Privatdetektive des prominenten Büros „Metodo 3“ renommierte Kunden hatten und in prominenten Kriminalfällen ermittelten. Und dass die Schnüffler Tausende Dossiers zusammentrugen, in denen es nicht nur um untreue Ehepartner und private Vorlieben geht, sondern auch um Bestechlichkeit und andere Unsitten, welche für die Betroffenen peinlich werden können.
Politische Parteien, der FC Barcelona und Unternehmen gehörten zu den Kunden der Schnüffelagentur, die sich auf ihrer Homepage rühmte, die „Nummer eins im Land“ zu sein. Sogar der spanische Geheimdienst CNI soll sich für die heißen Dossiers interessiert haben.
Der Skandal kam ins Rollen, nachdem ein abgehörtes Gespräch auftauchte, in dem ein Sohn der bekanntesten Politikerfamilie Kataloniens der Korruption beschuldigt wurde.
In der Unterhaltung in einem Restaurant berichtete eine enttäuschte Liebhaberin, dass ihr Ex-Freund, Sprössling des langjährigen katalanischen Regierungschefs Jordi Pujol, mit Rucksäcken „voller 500-Euro-Geldscheine“ ins Steuerparadies Andorra gefahren sei. Gegenüber am Restauranttisch saß der politische Feind — die konservative Alicia Sanchez-Camacho. Sie ist Parteichefin der Konservativen in Katalonien und härteste Gegnerin der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, die von der Pujol-Partei CiU angeführt wird.
Bisher weiß die Polizei nicht, wer den Auftrag gab, etliche prominente spanische Politiker auszuspionieren. Es wird vermutet, dass diverse politische Parteien die Privatdetektive anheuerten, um dem Gegner zu schaden. Niemand weiß derzeit, welche Bomben in den Dossiers schlummern, doch das Misstrauen und die Angst vor weiteren Enthüllungen ist groß.
Erst recht in einem politischen Klima, in dem fast täglich Fehltritte und Korruptionsfälle spanischer Politiker bekannt werden und die Empörung im Volk anheizen: Das Königshaus, Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy, die sozialdemokratische Opposition, regionale Parteien, Bürgermeister — kaum eine Institution ist derzeit frei von Korruptionsaffären, die zum beherrschenden Thema der spanischen TV-Nachrichten geworden sind.