Ex-US-Vize Dick Cheney meldet sich zurück - Was will der Mann?
Die USA sind in Gefahr und Präsident Obama will es nicht wahrhaben: Das ist das Credo des früheren Vizepräsidenten. Fast seine ganze Familie legt sich ins Zeug, um die Welt zu warnen.
Washington (dpa). Lange war Dick Cheney (73) in der Versenkung verschwunden. Sein Herz wollte nicht mehr, nach mehreren Herzinfarkten hielt ihn zeitweise nur die moderne Medizin am Leben. Nach einer Herztransplantation 2012 kämpfte sich der ehemalige US-Vizepräsident (2001-2009) Schritt für Schritt ins Leben zurück. Wie lange? „Die Ärzte meinen, mein Herz hat vielleicht 30 weitere Jahre“, parierte Cheney diese Frage, „aber sie wissen nicht, ob der Rest von mir so lange durchhält.“
Jetzt meldet sich Cheney in der Öffentlichkeit zurück. Er tritt samt Familie im altehrwürdigen Washingtoner Mayflower Hotel auf. Seine Hand zittert leicht, als er kurz die Brille abnimmt und sich das Auge reibt. Doch knallhart und geradeaus wie immer schießt der führende Kopf der Irak-Invasion auf sein Ziel: Die Regierung von Präsident Barack Obama. Diese unternehme nichts gegen die Bedrohung durch die Terrorgruppe IS im Irak, im Gegenteil, sie sehe die Gefahr nicht einmal.
Einen Tag später legt Cheney im TV-Sender CNN nach. „Obama ist der schlechteste Präsident, den ich in meinem Leben erlebt habe“, sagt er mit bitternster Miene. Eigene Fehler, etwa bei der Irak-Invasion 2003 - Fehlanzeige. „Wir haben eine gute Entscheidung getroffen“, sagt er dem Sender am Dienstag (Ortszeit). Von Selbstkritik, von Reue gar keine Spur.
In Amerika kennt man diese Worte. Seit Monaten schieben Cheney und andere Republikaner der Regierung die Schuld am Chaos in Syrien und im Irak zu. „Amerika droht eine Gefahr, die gewaltiger ist als bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001“, warnt Cheney vor seinem Publikum im Mayflower Hotel. Freilich: Obama und seine Verbündeten schießen zurück und kontern, das Schlamassel habe einzig die Regierung von Georg Bush angerichtet.
Cheneys aktuelle Forderung: Der Truppenabzug in Afghanistan müsse sofort aufhören, sonst passiere dort dasselbe wie im Irak. „Obama hat es nicht geschafft, den Irak zu stabilisieren“, ist Cheney überzeugt. In einem Leitartikel sprach er sich kürzlich dafür aus, die irakischen Sicherheitskräfte in ihrer Gegenoffensive militärisch zu unterstützen. Unter anderem mit Ausbildern, Spezialeinheiten und Flugzeugen. Völlig falsch findet Cheney auch die Verringerung der Militärausgaben: „Präsident Obama zerstört unser Militär.“
Er ist wieder ganz der alte Haudegen, als er in der US-Hauptstadt auftritt. Ein paar Aktivisten schreien „Kriegsverbrecher“ und stören kurz die Familienzusammenkunft. Fast die ganze Familie Cheney hat sich versammelt: Vater Dick, Mutter Lynne und Tochter Liz. Nur Mary, die zweite Tochter, fehlt. Sie lässt sich wegen Terminen entschuldigen.
Aber sie hätte auch nicht so recht aufs Podium gepasst. Denn Mary ist mit einer Frau verheiratet. Und ihre konservative Schwester Liz stellt sich gegen die Ehe homosexueller Paare. Dieser offene Disput der beiden ungleichen Schwestern schadete bereits der Kandidatur von Liz für den US-Senat. Sie nahm sich Anfang des Jahres selbst aus dem Rennen - nicht nur wegen des Familienzwists.
Vater Dick Cheney erhofft sich mit seinen öffentlichen Auftritten wieder mehr Einfluss in der Politik, in der republikanischen Partei. Die Resonanz auf seine Annäherungsversuche war aber bisher nicht euphorisch. Die Partei brauche neue „Leaders“, neue Führer, neue Visionen, lassen sich republikanischer Strategen vernehmen.
Cheneys Tochter Liz will nach dem Wahlkampfdebakel auch wieder salonfähig werden, sie hat sicher nicht zum letzten Mal für ein politisches Amt kandidiert. Beim Gespräch im Mayflower Hotel wirkt sie noch konservativer als ihr Vater. „Klimaerwärmung“, argwöhnt sie, „das benützen dieser Präsident und die Umweltbehörde EPA nur als Vorwand, um die Kohleproduktion abzuwürgen“.
Mutter Lynne, eine Literaturwissenschaftlerin und Romanautorin, hat gerade ein Buch über den ehemaligen Präsidenten James Madison (1809-17) zu bewerben. Sie schafft es, sich damit immer wieder in die Diskussion über die großen Gefahren für Amerika einzubringen und zitiert die Ansichten des vierten US-Präsidenten an den passenden Stellen. Madison war zum Beispiel überzeugt, dass man lauthals protestieren muss, wenn man den Eindruck hat, dass sich die Regierung in eine falsche Richtung bewegt. Das haben die drei Cheneys intensiv getan.