Frankreich: Ein klares Votum gegen Sarkozy
Nun geht der Sozialist Hollande als klarer Favorit in die Stichwahl. Marine Le Pen vereint überraschend viele Protestwähler auf sich.
Paris. Vom 22. April 2012 werden in Frankreich vor allem zwei Dinge in Erinnerung bleiben: der historische Sieg des Sozialisten François Hollande und das unerwartet gute Abschneiden der Rechtsextremen Marine Le Pen. Hollande setzte sich in der ersten Wahlrunde um das Präsidentenamt am Donnerstag bereits mit mindestens zwei Prozentpunkten Vorsprung von Amtsinhaber Nicolas Sarkozy ab. Der konservative Staatschef kam auf 24 bis 26 Prozent und lag damit nur wenige Punkte vor Le Pen mit bis zu 20 Prozent.
Als eine der ersten sozialistischen Parteigrößen meldete sich am Wahlabend Ségolène Royal, die frühere Lebensgefährtin Hollandes, zu Wort. Sie gratulierte aber nicht etwa ihrem Ex zum Erfolg, sondern äußerte sich zu Le Pen. „Das ist ein Protestvotum. Man muss sich an die Wähler wenden und sie verstehen“, sagte Royal.
Die Chefin der Front National, die mit einer derben Rhetorik gegen Muslime und die EU im Wahlkampf zu Felde gezogen war, hatte bereits ein Überraschungsergebnis angekündigt. Und tatsächlich schnitt sie bei ihrer ersten Präsidentschaftswahl auf Anhieb besser ab als ihr Vater vor zehn Jahren.
Damit dürfte die Tochter von Jean-Marie Le Pen zum Stachel im Fleisch von Hollande werden, der nach seinem Vorsprung von Sonntag wahrscheinlich der neue Präsident Frankreichs wird. Damit dürfte er Geschichte schreiben, war doch François Mitterrand vor 24 Jahren der letzte, der für seine Partei einen Sieg bei einer Präsidentenwahl einfuhr.
Auf Mitterrand berief sich Hollande deshalb auch gerne im Wahlkampf — bis hin zur selben Gestik in seinen Ansprachen. Bereits zu Beginn seines Wahlkampfes vor mehr als einem Jahr machte der 57-Jährige mit der randlosen Brille klar: Er will anders sein als Sarkozy, nämlich ein ganz „normaler“ Präsident.
Damit traf der Sozialist den Nerv seiner Landsleute, die den Aktionismus des Präsidenten und dessen Nähe zu den Reichen und Schönen satt haben. Und so war der Sieg Hollandes in erster Linie wohl ein Votum gegen Sarkozy, den unbeliebtesten Präsidenten am Ende einer Amtszeit. Für den Staatschef ist es nun fast unmöglich, bis 6. Mai noch das Ruder herumzureißen.