Gaddafi will verhandeln, aber nicht ins Exil
Tripolis/Kairo (dpa) - Libyens bedrängter Machthaber Muammar al-Gaddafi will mit der Nato über einen Waffenstillstand verhandeln, aber keinesfalls ins Exil gehen.
„Niemand kann mich überzeugen, mein Land zu verlassen, und niemand kann mir vorschreiben, nicht für mein Land zu kämpfen“, sagte Gaddafi am Samstag in einer vom libyschen Staatsfernsehen übertragenen Rede.
Er wäre zu einer Waffenruhe bereit, wenn sie alle Beteiligten einschließe, sagte Gaddafi in seiner fast 90-minütigen Rede. „Eine Waffenruhe kann nicht einseitig sein. Wir wären die ersten, die eine Waffenruhe akzeptieren (...), aber der Angriff der Nato-Kreuzfahrer hat nicht aufgehört“, wurde er vom arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira zitiert.
Vertreter der Opposition lehnten Verhandlungen ab. „Die Zeit für einen Kompromiss ist vorbei“, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Übergangsrates, Abdelhafizh Ghoga, am Samstag. „Die Menschen in Libyen können sich keine Zukunft vorstellen oder akzeptieren, in der Gaddafis Regime eine Rolle spielt“, hieß es in Ghogas Erklärung.
Die Nato, die seit dem 31. März die Operation der internationalen Gemeinschaft in Libyen anführt, hat bislang fast 4400 Einsätze über dem Land geflogen, davon gut 1800 Bombardements. Die Militärallianz hat sich zum Ziel gesetzt, auf der Basis der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates in Libyen die Flugverbotszone sowie die Einhaltung des Waffenembargos zu überwachen und die Zivilbevölkerung zu schützen.
Am Freitag hatten Nato-Schiffe im Hafen der umkämpften Stadt Misrata das Verlegen von Minen verhindert. „Schiffe, die offensichtlich pro Gaddafi waren, haben Minen in der Hafenzone verlegt“, berichtete Operationschef Robert Weighill. Dies hätten Nato-Schiffe verhindert. Die Minen galten vermutlich Hilfstransporten, die über den Hafen laufen. „Das zeigt seine (Gaddafis) Missachtung internationalen Rechts und sein Bestreben, keine humanitäre Hilfe in den Hafen von Misrata zu lassen, um der belagerten Bevölkerung zu helfen“, sagte der Nato-Verantwortliche.
In der Hauptstadt Tripolis demonstrierten erstmals seit Wochen wieder Regimegegner. Nach Angaben der Aufständischen schossen Gaddafis Truppen auf die Demonstranten und trieben sie mit Tränengas auseinander. Die Proteste hätten sich in den Vierteln Souk al-Dschumaa und Tadschura ereignet. Oppositionelle, die in den vergangenen Wochen aus der Hauptstadt geflüchtet waren, hatten erklärt, in Tripolis herrsche ein Klima der Angst.
Libysche Regimegegner und weite Teile der internationalen Gemeinschaft verlangen, dass Gaddafi die Macht abgibt und mit seiner Familie ins Exil geht. Gaddafi herrscht als selbst ernannter „Bruder Führer“ seit 42 Jahren uneingeschränkt über Libyen.
Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth forderte indes verstärkte Hilfe für das durch den Krieg in Libyen belastete Tunesien: Dafür sei Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) zuständig, sagte sie bei einem Besuch des tunesisch-libyschen Grenzorts Ras Ajdir. „Deutschland darf sich nicht mit humanitärer Soforthilfe herauskaufen“, sagte Roth.
„Die humanitäre Krise in Tunesien kann zu einer politischen Krise in diesem Staat im Aufbruch werden“, warnte Roth. Seit Kriegsbeginn sind laut Organisation für Migration IOM rund 285 000 Menschen aus Libyen nach Tunesien gekommen, wo nach der Jasminrevolution am staatlichen Neuaufbau gearbeitet wird. Mehr als 173 000 von ihnen stammen aus anderen afrikanischen Staaten. Rund 25 000 Familien aus Libyen sind laut UN privat bei Tunesiern untergekommen.