Gelungene Ägypten-Wahl mit kleinen Schönheitsfehlern
Kairo (dpa) - Viele Ägypter sind erleichtert und stolz, dass ihre erste Parlamentswahl ohne Mubarak ohne Chaos und Gewalt abläuft. Der inzwischen verbotenen Mubarak-Partei, die über Jahrzehnte die Mehrheit im Parlament hatte, weint niemand eine Träne nach.
Nur aus einigen Wahlbezirken kamen Beschwerden über Stimmenkauf und Wahlpropaganda vor den Urnen. Vor allem die Muslimbruderschaft, die in der Ära von Ex-Präsident Husni Mubarak die stärkste Kraft der Opposition gewesen war, versuchte, die Wähler bis zur letzten Minute zu beeinflussen - mit Flugblättern und kostenlosem Transport zum Wahllokal. Das berichtete die Ägyptische Koalition für die Beobachtung der Wahlen.
Nach einem lebhaften ersten Wahltag herrschte auch am Dienstag, dem zweiten und letzten Tag der ersten Runde der Wahl, noch relativ großer Andrang vor den Wahllokalen. Inoffiziell hieß es, die Wahlbeteiligung könne bei bis zu 70 Prozent liegen, was etwa doppelt so viel wäre wie bei den letzten Wahlen unter dem im Februar entmachteten Präsidenten Husni Mubarak.
Die Wahl blieb trotz der Straßenkämpfe der vergangenen Woche friedlich. Ein 59 alter Mann erlitt im Gedränge vor einem Wahllokal im Kairoer Stadtteil Schubra einen Herzinfarkt. Auch am Dienstag konnte die Wahl in einigen Bezirken nicht pünktlich beginnen, weil die Richter, die als Wahlleiter eingeteilt waren, nicht erschienen.
In diesem ersten Wahlgang konnten die Bewohner von Kairo, Alexandria und sieben weiteren Provinzen wählen. Erste Ergebnisse wurden für Mittwoch angekündigt. In Bezirken, in denen kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht hat, soll es am kommenden Montag eine Stichwahl geben. In den restlichen 18 Provinzen des Landes wird im Dezember und Januar gewählt.
Die besten Chancen rechnet sich die islamistische Partei der Freiheit und Gerechtigkeit aus, die aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist. Sie stehen kritisch zum Friedensvertrag mit Israel und wollen eine stärkere Ausrichtung der Gesetzgebung am islamischen Recht („Scharia“).
Einige Kandidaten säkularer Parteien beschwerten sich, dass Unterstützer der Islamisten Wähler vor den Wahllokalen abgefangen hätten, um sie zur Stimmabgabe für ihre Partei zu bewegen. Die Muslimbrüder bestritten dies und behaupteten, ihre „jungen Freiwilligen“ hätten lediglich versucht, den Wählern zu helfen, sich zu orientieren.
Mohammed Awad, ein Mitglied der Allianz „Jugend der Revolution“ sagte, die hohe Wahlbeteiligung sei sehr positiv. Trotzdem müsse der Militärrat, der das Land seit dem Sturz von Mubarak im Februar regiert, die Forderungen der Demonstranten erfüllen, die seit Tagen auf dem Tahrir-Platz in Kairo protestieren. Der Rat müsse abtreten und die Macht an einen zivilen „Präsidentschaftsrat“ abgeben.
Nach dem bisherigen Zeitplan sollen nach den 498 Parlamentariern die Mitglieder der zweiten Kammer („Schura-Rat“) gewählt werden. Anschließend soll eine neue Verfassung formuliert und zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Im Juni werden die Ägypter dann erneut zu den Urnen gerufen, um einen Präsidenten zu wählen. Erst dann wollen die Generäle endgültig in ihre Kasernen zurückkehren.