Gesellschaft: Frankreich will Freier bestrafen
Paris schlägt einen harten Kurs in der Bekämpfung der Prostitution ein. Der Plan stößt beim Gewerbe auf wenig Gegenliebe.
Paris. „Strafe für Freier in Frankreich“ — allein schon die anhaltende Spekulation über diesen drakonischen staatlichen Eingriff zeigt in den letzten Tagen spürbar Wirkung. Prostituierte der französischen Hauptstadt berichten übereinstimmend, dass selbst Stammkunden neuerdings einen weiten Bogen um die einschlägig bekannten Orte des Pariser Sex-Gewerbes machten.
Die Angst, erwischt zu werden und für sexuelle Dienstleistungen doppelt bezahlen zu müssen, ist groß. Wahrscheinlich noch größer ist jedoch die Sorge, die Ehefrau daheim könnte Wind von den erotischen Abenteuern des Gatten bekommen. Ein delikater Sex-Strafzettel in der Post wäre quasi der amtliche Nachweis ehelicher Untreue.
Schweden sorgte 1999 für Furore, weil es weltweit als erstes Land eine Strafe für Freier einführte. Nun ist Frankreich an der Reihe. Eine Kommission der französischen Nationalversammlung legte am Mittwoch ihren Bericht vor, der in die umstrittene Freier-Bestrafung mündet. Schon im nächsten Jahr könnte im französischen Sex-Gewerbe eine neue Ära beginnen. Sie wäre genauso einschneidend wie die Zäsur im Jahre 1946, als das Gesetz „Marthe Richard“ schlagartig zur Schließung aller „Freudenhäuser“ im Land führte.
Sozialministerin Roselyne Bachelot zählt zu den vehementesten Unterstützerinnen der geplanten Freier-Bestrafung. Bis zu 3000 Euro sowie eine bis zu sechsmonatige Gefängnisstrafe sieht ein möglicher Gesetzesentwurf vor. „Es gibt keine freie, selbst gewählte oder einvernehmlich verabredete Prostitution“, sagt die gaullistische Politikerin.
Der Bericht der Parlamentskommission weist darauf hin, wie dramatisch sich Prostitution in Frankreich in den letzten zwanzig Jahren verändert habe. Sie basiere heute größtenteils auf Menschenhandel. „80 Prozent der Prostituierten sind Opfer“, heißt es in dem Bericht. Deshalb solle sich jeder Kunde einer Prostituierten darüber im Klaren sein, dass er womöglich Menschenhandel und Zwangsprostitution fördere.
In Paris, der vielbesungenen Hauptstadt der Liebe, vor hundert Jahren noch die Metropole mit dem phantasievollsten Sexgewerbe der Welt, spielt sich bezahlter Sex trotz des Bordellverbots in aller Öffentlichkeit ab. Prostituierte bieten sich auf dem Straßenstrich an, auch die hinteren Seiten des Szenemagazins „Pariscope“ sind zugepflastert mit einschlägigen Kontaktanzeigen sowie Adressen von Sauna- und Massageclubs.
Französische Prostituierten-Organisationen haben kürzlich für die Aufhebung des Bordell-Verbots und die Legalisierung ihres Gewerbes demonstriert. Einige befürchten nun, dass Prostituierte noch weiter in die Illegalität gedrängt werden könnten. Die Frauen greifen gerne auf ein beliebtes Daseins-Argument zurück, das so alt ist wie das Gewerbe selbst. Sie sagen: „Unser Gewerbe nutzt der Gesellschaft.“