Gespräche über Irans-Atomprogramm „konstruktiv“
Istanbul (dpa) - Die neue Runde der Gespräche über das umstrittene iranische Atomprogramm hat nach Angaben der Verhandlungsdelegationen positiv begonnen. „Die Gespräche waren konstruktiv“, sagte Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton, in Istanbul.
Nach einer Pause kamen die Delegationen zu bilateralen Treffen zusammen. Die Gespräche gelten als letzte Chance, mögliche Militärschläge gegen iranische Atomanlagen, die Israel angedroht hat, abzuwenden.
Nach Angaben aus der iranischen Delegation verlief der Start der Gespräche „positiv genug“, um in kleineren Gruppen Details zu besprechen. Der Iran habe vorgeschlagen, die bestehenden Mengen höher angereicherten Urans unter Aufsicht der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA selbst zu Brennstäben zu verarbeiten. Nach eigenen Angaben verfügt Teheran über knapp 100 Kilogramm Uran, das auf 20 Prozent angereichert wurde.
Mengen niedrig angereicherten Urans (3,5 Prozent) könnten als Teil eines Tauschgeschäfts im Ausland verarbeitet werden, wofür es bereits im Jahr 2010 Überlegungen gab. Das Material könne in Russland höher angereichert und in Frankreich zu Brennstäben verarbeitet werden. Ein solcher Vorschlag, bei dem iranisches Uran in der Türkei eingelagert werden sollte, lag bereits bei den Gesprächen im Januar 2011 in Istanbul auf dem Tisch, ohne dass es einen Durchbruch gab.
Schwierig sei das Thema ausgeweiteter internationaler Kontrollen iranischer Atomanlagen, hieß es aus der iranischen Delegation. Iranische Unterhändler begannen am Vormittag Gesprächen mit Vertretern der 5+1-Gruppe zusammen. Dazu gehören die fünf Veto-Mächte im UN-Sicherheitsrat - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA - sowie Deutschland.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton rief die iranische Führung zu vertrauensbildenden Maßnahmen auf. Ein erstes Treffen mit dem iranischen Chefunterunterhändler Said Dschalili sei am Vorabend in sehr guter Atmosphäre verlaufen, teilte das Büro von Ashton mit. „Wir sind hier, um Wege zum gegenseitigen Vertrauen zu finden und Wege, wie der Iran zeigen kann, dass er Abstand nimmt von einem Atomwaffenprogramm“, erklärte Aston demnach vor dem Treffen.
Der Westen fürchtet, dass der Iran seine Fertigkeit zur Anreicherung von Uran für Waffen und schließlich sogar für eine Atombombe nutzen könnte. Der Präsident des Landes, Mahmud Ahmadinedschad, pocht dagegen auf das Recht, Atomtechnologie etwa für die medizinische Forschung friedlich nutzen zu können. Israel und auch die USA haben in der Vergangenheit Angriffe auf iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen, falls Teheran seinen Kurs fortsetzt.
Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtete, in der iranischen Militäranlage Parchin südöstlich von Teheran sei in der Vergangenheit ein Bauteil für die Zündung eines Atomsprengkopfes getestet worden. Bislang war aus Berichten der IAEA bekannt, dass in der Anlage Experimente mit anderen wichtigen Bauteilen vorgenommen worden sein könnten. Deshalb dringt die IAEA darauf, dort Inspektionen durchführen zu dürfen.
Nach Angaben westlicher Diplomaten wollte die 5+1-Gruppe fordern, dass Teheran die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo schließt und die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent stoppt. Ein Anreicherungsgrad von 20 Prozent reicht zwar nicht für den Bau von Atomwaffen - dafür wären 80 Prozent nötig -, ist aber ein Schritt in diese Richtung. Die 5+1-Gruppe nannte in Istanbul zunächst keine Details. Aus der iranischen Delegation verlautete, Teheran wolle mindestens einen Fahrplan für weitere Verhandlungen und ein weiteres Gespräch vereinbaren.
Das Treffen in Istanbul finde in einem Moment großer Anspannung in der Region statt, erklärte Außenminister Guido Westerwelle in Berlin. „Eines ist klar. Die Zeit für taktische Spiele jedweder Art ist längst abgelaufen“, sagte er. Der Iran müsse bereit sein zu ernsthaften und zielgerichteten Verhandlungen über alle anstehenden Fragen und besonders über sein Atomprogramm, erklärte Westerwelle.