Militärputsch und Schüsse in Guinea-Bissau

Bissau/Lissabon (dpa) - Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen haben Militärs in einem westafrikanischen Staat nach der Macht gegriffen: In Guinea-Bissau feuerten Soldaten nach Angaben örtlicher Medien am Donnerstagabend Granaten auf das Haus von Ministerpräsident Carlos Domingos Gomes Júnior ab.

Auf den Straßen der Hauptstadt Bissau habe es heftige Schießereien gegeben. Am Freitag war die Lage knapp zwei Wochen vor einer umstrittenen Stichwahl um das Präsidentenamt zwar relativ ruhig, die Machtsituation aber völlig unklar. Der UN-Sicherheitsrat in New York verurteilte am Abend den Putsch und forderte die Wiedereinsetzung der rechtmäßigen Regierung.

Sowohl Gomes Júnior als auch Interimspräsident Raimundo Pereira sollen von den Aufständischen festgenommen worden sein. Ein selbst ernanntes „Militärkommando“ der Streitkräfte bekannte sich zur militärischen Aktion, versicherte aber gleichzeitig in einem Kommuniqué, man wolle nicht die Macht ergreifen. Man sei aber zum Handeln gezwungen worden, da man Geheimdokumente habe, wonach die Regierung in Bissau mit Hilfe der Armee von Angola die Streitkräfte in Bissau „vernichten“ wolle, hieß es. Die Regierung Angolas bestritt die Vorwürfe. Seit einem Jahr unterhält Angola eine 200-köpfige Militär-Mission in Guinea-Bissau.

Das Auswärtige Amt warnte bis auf weiteres vor Reisen in den Staat: „Schwerbewaffnetes Militär der Putschisten beherrscht das Stadtbild“, hieß es. Die Lage bleibe „unübersichtlich und gefährlich“. In Lissabon rief die Regierung der früheren Kolonialmacht Portugal „vehement zur Beendigung aller Gewaltakte und zur Achtung des Gesetzes“ auf. Außenminister Paulo Portas forderte zudem „energische Repressalien“ der internationalen Gemeinschaft gegen die Putschisten. Für Samstag berief der Ministerrat der Gemeinschaft Portugiesischsprachiger Länder (CPLP) in Lissabon ein Krisentreffen ein.

Die Ehefrau des Ministerpräsidenten, Salomé Gomes, sagte Reportern, ihr Mann sei von aufständischen Militärs festgenommen und auf der Ladefläche eines Pick-up an einen unbekannten Ort verschleppt worden. Augenzeugen berichteten der portugiesischen Zeitung „Público“, dass Truppen am Freitag auch mehrere Minister verschleppt hätten, Häuser von Regierungspolitikern seien zerstört worden. Die Festgenommenen seien alle in Fortaleza Amura, einer Festung aus portugiesischen Kolonialzeiten, die heute Sitz des Generalstabs der Streitkräfte ist.

Die Unruhen in Bissau ereigneten sich gut zwei Wochen vor den für den 29. April angesetzten Präsidentschafts-Stichwahlen. Ministerpräsident Gomes Júnior hatte im März die erste Runde klar gewonnen und galt als Favorit auf die Nachfolge des im Januar an Diabetes gestorbenen Staatschefs Malam Bacai Sanha.

Gomes Júniors Rivale Kumba Yala hatte angekündigt, die Stichwahlen wegen Unregelmäßigkeiten boykottieren zu wollen. „Es wird keinen Wahlkampf geben, das garantiere ich“, hatte er erst am Donnerstag kurz vor dem Militärcoup erklärt. Yala soll enge Beziehungen zum Militär unterhalten. Er wurde schon in vergangenen Jahren für Putschversuche verantwortlich gemacht.

Bei den Unruhen hatten Soldaten laut Medien die wichtigsten TV- und Radiosender des Landes geschlossen, die Zentrale der Regierungspartei besetzt und mehrere Botschaftsgebäude umstellt. Auf den Straßen sei Panik ausgebrochen. Nach Informationen des Senders RDP wurde mindestens ein Mensch getötet.

In Guinea-Bissau ist es seit der Unabhängigkeit von Portugal 1974 immer wieder zu Aufständen und Staatsstreichen durch das Militär gekommen. Seither hat kein Präsident eine volle Amtszeit von fünf Jahren durchgestanden. Das Land am Atlantik, das zwischen Senegal und Guinea liegt, ist bitterarm. Es belegt auf dem Entwicklungsindex der Vereinten Nationen einen der letzten Plätze.

Guinea-Bissau ist der zweite Staat in Westafrika, in dem binnen weniger Wochen Militärs putschen. Am 22. März hatten meuternde Soldaten in Mali Präsident Amadou Toumani Touré gestürzt. Auf Druck der Nachbarländer und der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas machten sie inzwischen jedoch den Weg für eine zivile Übergangsregierung frei.