Neuer Verhandlungspoker im Atomstreit mit dem Iran
Istanbul/Berlin (dpa) - Gibt es noch eine Chance für eine friedliche Lösung des Atom-Streits mit dem Iran? Am Samstag starten die neuen Atomgespräche. Die Iraner senden im Vorfeld unterschiedliche Signale - Vorbedingungen könnten einen Durchbruch wieder einmal verhindern.
Unmittelbar vor der Wiederaufnahme der Gespräche mit dem Iran rief Deutschland das Regime in Teheran zu konstruktiven Verhandlungen auf. „Wir hoffen doch sehr, dass jetzt ein Prozess des Dialogs in Gang gesetzt werden kann, der es möglich macht, eine politische, eine diplomatische Lösung in dieser sehr ernsten Frage zu finden“, sagte der stellvertretende Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, am Freitag in Berlin.
An diesem Samstag kommen iranische Unterhändler in Istanbul mit Vertretern der 5+1-Gruppe - China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die USA sowie Deutschland - zusammen, um über eine friedliche Lösung des Streits über das iranische Atomprogramm zu sprechen. Es sind die ersten Gespräche seit 14 Monaten.
Ziel ist es, die iranische Führung von einer weiteren Uran-Anreicherung abzubringen. Außerdem soll sichergestellt werden, dass Teheran die Fertigkeiten zum Bau einer Atombombe nicht erlangt: „Wir erwarten den politischen Willen, diese Gespräche fortzusetzen“, sagte am Freitag ein Regierungsvertreter im Gastgeberland Türkei.
Iranische Unterhändler trafen am Freitag in Istanbul ein. Geleitet wird die Delegation nach Angaben iranischer und türkischer Medien vom iranischen Chefunterhändler im Atomstreit, Said Dschalili.
Die Bundesregierung rechnet zum Auftakt noch nicht mit konkreten Ergebnissen: In Istanbul gehe es zunächst einmal darum, den Gesprächsfaden wieder aufzunehmen, konkrete Themen zu identifizieren und einen Termin für eine Fortsetzung der Verhandlungen zu finden, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amtes.
Der Westen fürchtet, dass der Iran seine Fertigkeit zur Anreicherung von Uran für Waffen und schließlich sogar für eine Atombombe nutzen könnte. Der Präsident des Landes, Mahmud Ahmadinedschad, pocht dagegen auf das Recht, Atomtechnologie friedlich zu nutzen. Israel und auch die USA haben in der Vergangenheit Angriffe auf iranische Atomanlagen nicht ausgeschlossen, falls Teheran seinen Kurs fortsetzt. Laut einem Bericht der „New York Times“ will der Westen nun fordern, dass Teheran die unterirdische Urananreicherungsanlage Fordo schließt und die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent stoppt.
Der Iran sei zu Kompromissen bereit, aber in erster Linie müssten die Sanktionen gegen das Land aufgehoben werden, hieß es aus iranischen Delegationskreisen. „Unser Standpunkt ist klar: Unser Recht auf zivile Atomtechnologie muss anerkannt werden, unsere Akte vom Weltsicherheitsrat in New York zurück an die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) nach Wien gehen. Und die Sanktionen müssen aufgehoben werden“, verlautete aus der iranischen Delegation.
Nach diesen Angaben könnte Teheran eine Einstellung der Urananreicherung auf 20 Prozent in Betracht ziehen. Ein Anreicherungsgrad von 20 Prozent erlaubt zwar noch nicht den Bau von Atomwaffen - dafür wären 80 Prozent nötig - ist aber ein Schritt in diese Richtung. Denkbar sei auch eine Wiederaufnahme des IAEA-Zusatzprotokolls, mit dem sich der Iran verpflichtet, auch unangemeldete internationale Inspektionen zuzullassen. Beobachter vermuteten am Freitag, dass dies Grundlage der neuen iranischen Initiative sein könnte.
Ein Experte sah vor dem Gesprächsauftakt die Chance für eine Annäherung: „Der Iran signalisiert, dass er sprechen will“, sagte Mark Fitzpatrick, leitender Direktor des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London, der Nachrichtenagentur dpa. Anders als vor einem Jahr gehe der Iran ohne Vorbedingungen in die Gespräche. „Dies bedeutet aber noch nicht, dass der Iran die Zugeständnisse macht, die die andere Seite fordert.“