Halbinsel Krim wird zum Krisenherd der Ukraine

Kiew (dpa) - Nach dem Machtwechsel in der Ukraine spitzt sich die Situation auf der Halbinsel Krim zu: Bewaffnete besetzten die Gebäude von Regionalregierung und Parlament in Simferopol. Die prorussische Volksvertretung sprach sich für eine Volksbefragung über die Autonomie der Region aus.

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Drohgebärden aus Moskau nährten zusätzliche Sorgen. Die neue Übergangsregierung in Kiew warnte ihren Nachbarn Russland vor Truppenbewegungen auf der Krim, die vor 60 Jahren der Ukraine zugeschlagen worden war.

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In Kiew wählte das Parlament den 39 Jahre alten Arseni Jazenjuk zum neuen ukrainischen Regierungschef. Der Gefolgsmann von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko soll das Land aus der schwersten Krise seit der Unabhängigkeit führen.

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Auf der Krim hatten am Morgen etwa 30 Männer die Eingangstüren zerschossen und sich Zugang verschafft, wie ein Mitarbeiter der Behörden sagte. Die Gruppe bezeichne sich als Selbstverteidiger der russischsprachigen Bevölkerung der Krim. Interimsinnenminister Arsen Awakow versetzte die Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft. Nach Berichten von Augenzeugen weht auf dem Gebäude die russische Flagge.

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Interimspräsident Alexander Turtschinow warnte Russland: Sollten sich Soldaten der Schwarzmeerflotte in Sewastopol unangemeldet außerhalb der in Abkommen festgelegten Zonen bewegen, werde dies als „militärische Aggression“ gewertet.

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Unterdessen machten sich erste Abspaltungstendenzen bemerkbar. Das prorussische Krim-Parlament will nun in einer Volksbefragung über die Zukunft der eigenen Autonomie entscheiden lassen. „Durch die verfassungswidrige Machtübernahme in der Ukraine von radikalen Nationalisten und mit Unterstützung bewaffneter Banden sind Friede und Ruhe auf der Krim gefährdet“, sagte eine Parlamentssprecherin. Die Mehrheit der Krim-Bewohner sind ethnische Russen.

Die USA forderten Russland zur Zurückhaltung in der Ukraine-Krise auf. Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte in Brüssel, die Vereinigten Staaten würden die Militär-Übungen an der ukrainischen Grenze sehr genau beobachten. „Ich erwarte von Russland Transparenz bei diesen Aktivitäten“, sagte er. Zudem forderte er Moskau auf, „keine Schritte zu unternehmen, die falsch verstanden werden könnten oder zu falschen Einschätzungen führen könnten in einer sehr schwierigen Zeit, einer Zeit starker Spannungen“.

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen appellierte an Moskau, „nichts zu tun, was die Spannung verschärfen oder zu einem Missverständnis führen kann“. Rasmussen sagte, die Nato habe „keine Informationen, die darauf hindeuten, dass Russland irgendwelche Pläne für ein militärisches Eingreifen hat“.

Russland kündigte an, im Rahmen eines großen Manövers auch seine Kampfbomber-Flotte im Westen des Landes sowie seine Flotte in der Ost- und in der Barentssee zu testen. Dabei würden etwa Kampfflugzeuge an der Grenze zur Ukraine eingesetzt. Die dortigen Luftstreitkräfte sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Dauereinsatz. Dies habe nichts mit der Lage in der Ukraine zu tun, behauptete Moskau.

In Kiew wurde der bisherige Oppositionspolitiker Jazenjuk vom Parlament zum neuen Regierungschef gewählt. Er erhielt 371 Stimmen unter anderem von der Partei Udar (Schlag) des Ex-Boxprofis Vitali Klitschko, die auf eigenen Wunsch nicht an der neuen Regierung beteiligt ist. Im Saal waren 417 Abgeordnete von insgesamt 450. Jazenjuk führte zuletzt die Parlamentsfraktion von Timoschenkos Vaterlandspartei.

Jazenjuk beklagte die finanzielle Schlagseite der Ukraine. „Die Staatskasse ist leer. Es gibt Schulden von 75 Milliarden US-Dollar“, sagte er. Das Gesamtvolumen von Zahlungsverpflichtungen liege aktuell bei 130 Milliarden US-Dollar.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bekräftigte ihre Bereitschaft, die Ukraine auf dem Weg zur Stabilität zu unterstützen. Europa stehe dem Land bei, „wenn es darum geht, Recht und Freiheit zu schützen“, sagte Merkel in einer Rede vor dem britischen Parlament in London.

Die deutsche Wirtschaft sprach sich für rasche Finanzspritzen der Europäer und des Internationalen Währungsfonds (IWF) an die Ukraine aus. Mit finanziellen Soforthilfen müsse erst einmal die Zahlungsunfähigkeit des Landes abgewandt werden, forderte der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner. IWF-Chefin Christine Lagarde bestätigte in Washington, dass die Ukraine bereits um Finanzhilfe gebeten habe. „Wir sind bereit, zu antworten und werden in den kommenden Tagen ein Untersuchungsteam nach Kiew schicken, um mit den Behörden erste Gespräche zu führen.“

Die Währungen zahlreicher osteuropäischer Länder standen am Donnerstag wegen der Spannungen rund um die Krim spürbar unter Druck. Massiv bergab ging es mit der ukrainischen Währung Griwna. Sie verlor zum US-Dollar zeitweise mehr als neun Prozent an Wert. Seit Jahresbeginn belaufen sich die Verluste auf mehr als 25 Prozent. Unter Druck stand auch der russische Rubel.

Erstmals seit seiner Entmachtung vor einer Woche meldete sich der Ex-Präsident Viktor Janukowitsch wieder zu Wort. Er halte sich weiter für den legitimen Staatschef und betrachtete die Entscheidungen des Parlaments als rechtswidrig, betonte er nach einer in Russland von Staatsmedien verbreiteten Erklärung. Russland gewährte ihm demonstrativ Schutz auf seinem Territorium.