Hungerbekämpfung: Indien plant die größte Essensausgabe der Welt

820 Millionen Menschen im Land leiden Hunger. Sie können sich nun billig Getreide kaufen.

Neu Delhi. Es ist die wohl größte Essensausgabe der Welt. Künftig haben mehr als 820 Millionen Inder — das ist ein Neuntel der globalen Bevölkerung — Anspruch auf Getreide zu Niedrigpreisen. Zwei Drittel der Bevölkerung sollen bald ein Kilogramm Reis für drei Rupien (vier Cent) erhalten, Weizen für zwei Rupien und andere Getreidesorten für eine Rupie — fünf Kilogramm pro Kopf und Monat. „Wir haben das Gesetz kreiert, damit niemand mehr hungert und kein Kind ohne Essen schläft“, sagte die Vorsitzende der regierenden Kongresspartei, Sonia Gandhi.

Das Gesetz wurde in der Nacht zu Dienstag vom Unterhaus verabschiedet, nachdem es dort zwei Jahre lag. Letztlich lenkte die Opposition ein — schließlich wird in dem 1,2 Milliarden-Einwohner-Land in ein paar Monaten gewählt. Jede Partei schielt auf die Stimmen der Bedürftigen, denn 22 Prozent leben unter der absoluten Armutsgrenze.

Kritiker halten das Vorhaben wegen der schlechten Infrastruktur für kaum umsetzbar. Bei ähnlichen, kleineren Programmen wurde das hoch subventionierte Getreide immer wieder auf regulären Märkten entdeckt. Das bisherige System sei von Ineffizienz sowie „großflächiger Korruption“ geprägt, schreibt die für das Gesetz eingerichtete Expertenkommission.

In Indien sind trotz des starken Wirtschaftswachstums der vergangenen zwei Jahrzehnte laut Unicef noch immer etwa die Hälfte der Kinder unterernährt. „Und auch das neue Gesetz ist weit davon entfernt, Ernährungssicherheit zu bieten“, meint Nivedita Varshneya von der Welthungerhilfe. So werde etwa nur Getreide verteilt, nicht aber Linsen, Öle, Früchte, Gemüse und Milchprodukte.

Auch bemängelt Varshneya, dass die Agrarkrise des Landes und der ungleich verteilte Zugang zu Essen nicht angegangen werde — das seien aber die Hauptgründe für Hunger und Armut. „Weder werden Anreize geschaffen für mehr Nahrungsmittelproduktion noch für dezentrale Beschaffung und Lagerung, die den Farmern nutzen würde“, erklärt Varshneya.

Unklar bleibt bislang auch, woher die 61,2 Millionen Tonnen Getreide kommen sollen. Ebenso unklar ist die Finanzierung. Umgerechnet mehr als 15 Milliarden Euro soll das Programm jährlich kosten. In der aktuellen Finanzkrise sei das „ökonomischer Wahnsinn“, sagte Kiran Mazumdar Shaw, Unternehmerin und reichste Frau Indiens.