In Bagdad regiert das politische Chaos
Auch nach den verheerenden Anschlägen gießen die rivalisierenden Vertreter von Sunniten und Schiiten Öl ins Feuer.
Bagdad. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem aktuellen Streit in der Regierungskoalition und dem Bombenterror in Bagdad lässt sich nicht nachweisen.
Doch für die meisten Iraker und auch für internationale Beobachter sind die Anschläge, die Iraks Hauptstadt jetzt erschüttert haben, die Folge der Konfrontation von Sunniten und Schiiten im Parlament und im Kabinett von Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Sie vertreten die beiden großen Richtungen im Islam.
Wer nun erwartet, dass die Terrorwelle die verfeindeten Parteien in Bagdad, die sich gegenseitig seit Tagen mit Rücktrittsforderungen und Beleidigungen überziehen, an einen Tisch bringt, könnte enttäuscht werden. Anstatt sich in der Krise zusammenzuraufen, gießen sie noch mehr Öl ins Feuer.
Mehrere schiitische Politiker aus der Partei von Al-Maliki behaupteten nach den Anschlägen, dies sei wohl die Reaktion der extremistischen Sunniten auf den Haftbefehl gegen den angeblich in Terroranschläge verwickelten sunnitischen Vizepräsidenten Tarik al-Haschimi.
Dabei hatte Al-Haschimi einst selbst durch den Terror mehrere Angehörige verloren. Der Parlamentsabgeordnete Ibrahim al-Rakabi, der zu Al-Malikis Rechtsstaat-Allianz gehört, erklärte: „Der zeitliche Zusammenhang dieser Serie von Explosionen in Bagdad mit dem Haftbefehl gegen Al-Haschimi zeigt, dass es eine Verbindung zu den juristischen Schritten gegen Al-Haschimi gibt.“
Der mit Al-Haschimi verbündete Chef des Al-Irakija-Bündnisses sagte dagegen, der Terror habe erneut die Unfähigkeit der Al-Maliki unterstehenden Sicherheitskräfte bewiesen. Der Ministerpräsident solle zurücktreten.
Al-Maliki denkt jedoch weder an Rücktritt noch an Kompromisse. Er werde sich auch durch Terror nicht von seinem Kurs abbringen lassen, erklärt er wenige Stunden, nachdem zwölf Bomben in der Hauptstadt explodiert und mehrere Raketen auf dem Flugplatz der Stadt Mossul eingeschlagen waren.
Der Sondergesandte von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon im Irak, der Deutsche Martin Kobler, mahnte: „Es ist die Pflicht aller politischen Führer im Irak, rasch, verantwortungsvoll und vereint zu agieren, um die Verantwortung für die Beendigung der Gewalt zu schultern.“
Doch Appelle an das Verantwortungsbewusstsein der Amtsträger verhallen derzeit ungehört. Selbst die Amerikaner, die erst vor wenigen Tagen ihren letzten Militärstützpunkt verlassen hatten, haben schon jetzt kaum noch Einfluss. Al-Maliki verbittet sich alle mahnenden Worte.