Indien: Der harte Kampf der Frauen für mehr Rechte
Vor 100 Tagen starb eine indische Studentin nach einer Vergewaltigung durch sechs Männer.
Neu Delhi. 100 Tage ist es her, da entführten sechs Männer eine junge Inderin in einem Bus, vergingen sich wie Bestien an ihr und ließen sie blutend am Straßenrand liegen. 13 Tage kämpfte sie um ihr Überleben. Dann starb die Studentin. Sie wurde zum Symbol im Kampf gegen sexuelle Gewalt und für mehr Frauenrechte.
Es hat sich etwas getan in Indien in diesen 100 Tagen. Spezielle Notrufnummern für Frauen sind eingerichtet. Nachts sind viel mehr Polizisten in der Hauptstadt Neu Delhi unterwegs und überprüfen an Straßensperren jedes Auto. Vergewaltigungsfälle werden in Schnellgerichten verhandelt. Und das Parlament verabschiedete gerade ein Gesetzespaket, das härtere Strafen für sexuelle Gewalttäter vorsieht, darunter auch die Todesstrafe in besonders schweren Fällen.
Doch bei der Debatte über das „Anti-Vergewaltigungsgesetz“ im Unterhaus wurde deutlich, wie wenig geläutert und unsensibel die Abgeordneten noch immer mit dem Thema umgehen. Sharad Yadav sagte in seiner Rede zum neuen Stalking-Gesetz: „Wer von uns hat denn Frauen nicht nachgestellt?“ Das Haus kicherte. Jeder wisse doch, fuhr Yadav fort, dass das Objekt der Begierde einige Male verfolgt werden müsse, ehe es reagiere.
Kein Wunder, dass das Parlament nur wenige der Forderungen umgesetzt hat, die Frauenrechtler nach der Gruppenvergewaltigung erhoben, sagt Kavita Krishnan von der Frauenvereinigung Aipwa. So werde Vergewaltigung in der Ehe noch nicht bestraft. Auch Polizisten und Soldaten müssten oft nichts fürchten. „Die Zivilgesellschaft ist da schon weiter als unsere Politiker“, sagt sie.
Tatsächlich scheint die Aufmerksamkeit für die Rechte der Frauen in Indien gestiegen zu sein. „Die Mentalität hat sich verändert“, meint Om Prasad von der Studentenvereinigung Aisa. Auch junge Männer wie er seien nach der Vergewaltigung auf die Straße gegangen und hätten Plakate gegen Sexualgewalt getragen. Und seither diskutierten sie auch über Gewalt gegen Frauen, über Partnerwahl und sogar über Frauen, die rauchen und trinken sowie Abends ausgehen.
Dass das selbst in der Hauptstadt Neu Delhi keine Selbstverständlichkeit ist, zeigt eine Umfrage der „Times of India“. Demnach meinen 86 Prozent der befragten Männer, es sei nicht in Ordnung, wenn Frauen mit Freunden nachts in Bars gingen. Gut jeder Fünfte (22 Prozent) findet nicht, dass Frauen sich kleiden können, wie sie wollen. Und etwa die Hälfte (46 Prozent) meint, Frauen sollten nachts nicht arbeiten.