Kroatien zwischen Angst und Hoffnung
Ab Montag ist das Land an der Adria neues Mitglied der EU. Die Bürger hoffen auf ein besseres Leben.
Zagreb. Was bringt der EU-Beitritt Kroatiens seinen 4,4 Millionen Bürgern? Fluch oder Segen — darüber gehen die Meinungen weit auseinander.
Zwar hatten beim EU-Referendum zu Beginn 2012 zwei Drittel der Wahlberechtigten mit Ja gestimmt, doch gaben nur 44 Prozent von ihnen überhaupt ihre Stimme ab.
Und bei der ersten Wahl der kroatischen Abgeordneten zum Europaparlament im April interessierten sich sogar weniger als 21 Prozent der Bürger für dieses Thema.
Die Zeitung „Jutarnji list“ hat den Bürgern einen „Führer für ein besseres Leben ab dem 1. Juli“ in die Hand gegeben, weil der Beitritt „unser Leben radikal verändern wird“. Es gibt Tipps für den Einkauf sowie die Arbeitsplatzsuche, medizinische Behandlungen und Studien im Ausland.
Aber überall schwingt auch die Angst mit, Kroatien könne vom viel reicheren EU-Ausland regelrecht aufgekauft werden. Beispiel Immobiliensektor: Viele Kroaten befürchten, reiche Ausländer schnappten ihnen die noch freien schönen Grundstücke an der Adriaküste weg.
Andererseits soll der Tourismus als einer der wichtigsten Wirtschaftszweige einen Aufschwung hinlegen. Die Kombination aus westlichem Know-how im Hotelfach mit pittoresker kroatischer Landschaft halten viele für eine Traumverbindung.
Klar ist, dass Kroatien vor allem wirtschaftlich und sozial großen Nachholbedarf hat. Das kroatische Bruttoinlandsprodukt liegt um 60 Prozent unter dem EU-Schnitt. Auch die Gehälter liegen deutlich mehr als die Hälfte unter dem EU-Durchschnitt.
In- und ausländische Experten hoffen, dass Kroatien unter dem Druck der EU dringend notwendige Strukturreformen einleitet. Der übermächtige Staatssektor soll zurückgedrängt und eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes ermöglicht werden.
Viele ausländische Unternehmen beklagen seit Jahren, sie würden von einer unfähigen Verwaltung und korrupten Politikern behindert.
Die Vorteile der EU bekommt das Neumitglied noch im Beitrittsjahr zu spüren. Schon bis Ende 2013 sollen schätzungsweise über 700 Millionen Euro aus verschiedenen EU-Fonds von Brüssel nach Zagreb fließen.
Nach Abzug des kroatischen EU-Beitrags kann das Land im Südosten Europas im nächsten halben Jahr mit EU-Geldern in Höhe von immerhin einem Prozent seines Bruttoinlandsproduktes rechnen.