Londons City-Maut trifft sozial Schwache

Seit 2003 gibt es die Abgabe. Sie bringt Millionen ein, ist aber immer noch hoch umstritten.

London. In London, Mutter aller City-Maut-Städte, halten sich seit Einführung der Gebühr hohe Erwartung und bittere Kontroversen die Waage. Ihr eigentliches Ziel aber hat die „Congestion Charge“ — auf Deutsch „Stau-Abgabe“ — nicht erreicht: Der Autoverkehr in der Metropole ist trotz ihrer Einführung im Jahr 2003 nicht weniger geworden.

Die gebührenpflichtige Zone im Inneren der Metropole deckt 38 Quadratkilometer ab, überwacht durch Infrarotkameras. Das Prinzip für Autofahrer ist einfach: Für jede Einfahrt in die Zone zwischen 7 Uhr und 18 Uhr werden wochentags umgerechnet 13 Euro fällig. Wer die Beträge direkt von seiner EC- oder Kreditkarte abbuchen lässt zahlt 1,30 Euro pro Tag weniger; wer erst am Abend nach der Einfahrt die Summe begleicht, muss 2,50 Euro mehr berappen. Die Kameras im Stadtgebiet erfassen automatisch alle Nummernschilder; über Nacht werden sie mit den Halter- und Kontodaten der Halter abgeglichen. Wer gefilmt wird, ohne bezahlt zu haben, riskiert Strafen bis zu 220 Euro.

Da den 150 000 Anwohnern der Innenstadt-Zone die Gebühr größtenteils erlassen wird, trifft sie vor allem jene, die ohnehin nicht viel Geld haben — Pendler oder Familien, die sich Londons hohe Mieten nicht leisten können und daher außerhalb wohnen.

Krankenwagen, Taxis und Elektromobile sind vom Autozoll ausgenommen, Firmen müssen jedoch für ihre gesamte Lieferwagen-Flotte die Tagespauschalen entrichten.

Streit gibt es immer wieder: Nach der Einführung klagten Händler über sieben Prozent Umsatzeinbußen; Datenschützer prangern die Abgabe der Kamera-Daten zur Analyse an indische Software-Firmen an — und viele Botschaften, darunter auch die deutsche, weigern sich, die Maut zu zahlen, weil sie sie nicht als Abgabe, sondern als Steuer klassifizieren. Die Vertretungen sind von der Steuer befreit.

Freuen kann sich der Nahverkehr — mit dem Geld der Autofahrer wird das überalterte U-Bahn-System geflickt. Umgerechnet rund 300 Millionen Euro und damit acht Prozent des Jahresbudgets hat der Londoner Nahverkehrsdienstleister zuletzt pro Jahr durch die Maut eingenommen.