Menschenrechtlerin und Mafiajäger leiten Parlament in Rom

Rom (dpa) - Paukenschlag in Rom: Ein prominenter Mafiajäger und eine namhafte Menschenrechtsaktivistin sind die neuen Präsidenten beider Kammern des italienischen Parlaments.

Nach heftigen Grabenkämpfen zwischen den politischen Lagern setzte sich am Samstag die frühere Sprecherin des Flüchtlingskommissariats UNHCR, die linksgerichtete Politikerin Laura Boldrini (51), im Abgeordnetenhaus durch. Am Abend wurde Italiens früherer Top-Mafiajäger Pietro Grasso (68) zum Präsidenten der zweiten Kammer, des Senats, gewählt.

Kommentatoren werteten den Ausgang der Abstimmung als Überraschungscoup von Pier Luigi Bersani. Dessen Mitte-Links-Lager hatte die Kandidaten ins Rennen geschickt. Beide wurden mit stürmischem Applaus gefeiert. Im Senat erhielt Grasso auch Stimmen von der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) des Komikers Beppe Grillo - nun drohe der Bewegung die Spaltung, hieß es. Denn Grillos Order habe geheißen: leere Stimmzettel zum Zeichen des Protests.

Dem Votum im Parlament waren mehrere gescheiterte Wahlgänge mit Hunderten leeren Stimmzetteln vorausgegangen. Gut drei Wochen nach den Wahlen will Staatspräsident Giorgio Napolitano an diesem Mittwoch die Konsultationen zur Bildung einer neuen Regierung aufnehmen. Bersani bekräftigte am Sonntag seine Entschlossenheit, die neue Regierung führen zu wollen.

Der Anti-Mafia-Staatsanwalt Grasso hatte erst Ende 2012 angekündigt, sich von seinem Amt freistellen zu lassen, um bei den Wahlen im Februar für die Mitte-Links-Partei PD anzutreten. Der Jurist war seit 2005 Italiens oberster Mafiajäger und mit Fernsehauftritten sowie als Autor mehrerer Bücher über organisierte Kriminalität auch international bekanntgeworden. Er machte in seiner Antrittsrede deutlich, einen neuen Kurs einschlagen zu wollen. „Die Politik wird von Grund auf geändert und überdacht: Ich hoffe, dass diese Kammer ein Symbol für Transparenz wird“, sagte er.

Auch Boldrini bekam für ihre Rede viel Applaus. Die Politikerin der mit der PD verbündeten Partei SEL (Linke, Umwelt Freiheit) bedankte sich bei Staatspräsident Napolitano und rief die Abgeordneten zur Zusammenarbeit auf. „Ich bin sicher, dass es uns in einem so schwierigen Moment für unser Land nur zusammen gelingt, uns der außergewöhnlichen Herausforderung zu stellen“, sagte sie. Die 51-Jährige machte sich in ihrer Ansprache für die Rechte der Schwächeren stark, die sie selbst viele Jahre lang vertreten habe.

Es wird erwartet, dass zunächst Bersani den Auftrag zur Bildung einer Regierung erhält. Sein Mitte-Links-Bündnis hatte die Wahlen knapp gegen das Bündnis um Silvio Berlusconis Volk der Freiheit (PdL) gewonnen. Grillos Fünf Sterne war auf Anhieb als drittstärkste Fraktion ins Abgeordnetenhaus eingezogen; sie bekam dabei mehr Sitze als PdL und PD jeweils als Einzelparteien.

Noch stehen die Zeichen auf Konfrontation: Die Protestbewegung Grillos will eine „Regierung ohne Parteien“. Ein Zusammengehen mit der Linken lehnt Grillo ab; Bersani seinerseits will keine große Koalition mit Berlusconi.