Merkel auf Konfrontationskurs zu Putin
Sydney/Kiew (dpa) - Mit scharfen Warnungen vor einem Flächenbrand ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf Konfrontationskurs zum russischen Präsidenten Wladimir Putin gegangen.
„Das (Verhalten Russlands) stellt nach den Schrecken zweier Weltkriege und dem Ende des Kalten Krieges die europäische Friedensordnung insgesamt infrage“, sagte sie.
Konkret berge Putins Politik auch für Georgien, Moldawien und Serbien besondere Risiken, machte Merkel in Sydney deutlich. Die Krisengespräche am Wochenende beim G20-Gipfel in Brisbane haben den blutigen Konflikt in der Ukraine nicht entschärft. Bei schweren Gefechten zwischen militanten Separatisten und der Armee seien im Raum Donezk Dutzende Menschen ums Leben gekommen, teilte die prowestliche Führung in Kiew am Montag mit.
„Wir müssen auf jede Entwicklung gefasst sein - auch auf eine offene Aggression mit Russland“, warnte Andrej Lyssenko vom Sicherheitsrat der früheren Sowjetrepublik. Erneute Kämpfe gab es vor allem rund um den geschlossenen Flughafen der Großstadt Donezk, der von Regierungseinheiten gehalten wird.
An diesem Dienstag soll Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei einem Besuch in Kiew Möglichkeiten zur Entschärfung der Krise ausloten. Steinmeier wird am Abend dann zu Gesprächen in Moskau erwartet. Den Vereinten Nationen zufolge starben bei dem Konflikt seit April bereits rund 4000 Menschen, darunter viele Zivilisten. Russland wies erneut mit Nachdruck Vorwürfe zurück, die Aufständische in der Ukraine auszurüsten.
Die Kanzlerin nutzte eine außenpolitische Rede während ihres Australien-Besuchs für die unmissverständliche Kritik an Putin, den sie am Rande des G20-Gipfels unter vier Augen gesprochen hatte. Putin verweigere eine Konfliktlösung im gegenseitigen Respekt und mit demokratischen und rechtsstaatlichen Mitteln, beklagte Merkel. Er setze auf das angebliche Recht des Stärkeren und missachte die Stärke des Rechts. Dennoch werde die Europäische Union nichts unversucht lassen, zu einer diplomatischen Lösung zu kommen.
Merkel warnte mit Blick auf den mutmaßlichen Abschuss des malaysischen Passagierflugzeugs MH17 über der Ostukraine: „Die Ukraine-Krise ist wahrlich keineswegs allein eine regionale Angelegenheit. Nein, an diesem Beispiel sehen wir: Sie betrifft uns alle.“
Die EU reagiert mit neuen Sanktionen gegen pro-russische Separatisten auf die Entwicklungen im Ukraine-Konflikt. Die EU-Außenminister beauftragten die zuständigen Behörden, bis Ende des Monats Namensvorschläge zu machen. Gegen die ausgewählten Personen werden dann Einreiseverbote und Kontensperrungen verhängt.
Deutsche Polizisten können mit der Beratung von zivilen Sicherheitskräften in der Ukraine beginnen. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und der ukrainische Außenminister Pawel Klimkin unterzeichneten in Brüssel ein entsprechendes Abkommen. Es sieht die Unterstützung des Landes bei der Reform des Polizei- und Justizsektors vor. Die Bundesrepublik beteiligt sich mit bis zu 20 Polizisten aus Bund und Ländern an dem Projekt.
Spannungen zwischen Russland und Polen haben durch die gegenseitige Ausweisung von Diplomaten zugenommen. Moskau verwies mehrere polnische Diplomaten des Landes. Das Außenministerium in Moskau begründete den Schritt mit der früheren Ausweisung russischer Botschaftsmitarbeiter aus Polen.
Massive Proteste gegen den tschechischen Präsidenten Milos Zeman überschatteten das internationale Gedenken an die „Samtrevolution“ von 1989 in Prag. Mit „Ukraine, Ukraine“-Rufen protestierten 1000 bis 2000 Demonstranten gegen die russland-freundliche Haltung des Politikers.
Putin bekräftigte unterdessen, dass russische Soldaten an der umstrittenen Abspaltung der Schwarzmeerhalbinsel Krim von der Ukraine beteiligt waren. „Unsere Streitkräfte haben die ukrainischen Streitkräfte blockiert, die auf der Krim stationiert waren“, sagte Putin im ARD-Interview für die Sendung „Günther Jauch“. Bei einem international kritisierten Referendum im März über einen Krim-Beitritt zu Russland hatten Soldaten die Abstimmung gesichert - „um ein Blutvergießen zu vermeiden“, erklärte Putin. Dies hatte er zuvor auch schon im russischen Staatsfernsehen gesagt.
Der Westen wirft Moskau vor, mit der Annexion der Krim das Völkerrecht gebrochen zu haben. Die Ukraine fordert die Halbinsel zurück. Putin bekräftigte seinen Standpunkt, Russland habe in keiner Weise gegen das Völkerrecht verstoßen. In dem Referendum hätten die Menschen frei ihre Meinung über ihre Zukunft geäußert - anders als im Kosovo, wo die Unabhängigkeit 2008 nur per Parlamentsbeschluss erklärt wurde, wie Putin argumentierte. Kritiker werfen Russland vor, die Volksabstimmung auf der Krim habe vor Gewehrläufen stattgefunden.