Merkel lässt in Spähaffäre viel unbeantwortet

Berlin (dpa) - Wer in der Spähaffäre echte Antworten von Kanzlerin Merkel erwartet hatte, wurde enttäuscht: Bei ihrem letzten großen Auftritt vor dem Sommerurlaub bleiben die wesentlichen Fragen offen.

Merkel verlässt sich auf den Aufklärungswillen der Amerikaner - und wartet ab.

„Mir ist es völlig unmöglich, hier eine Analyse von "Prism" vorzunehmen“, sagte Merkel bei ihrem letzten großen Auftritt vor der Sommerpause vor der Hauptstadtpresse in Berlin. Die Bundesregierung bemühe sich auf verschiedenen Ebenen um Aufklärung, „aber es liegt eben auch nicht ganz alleine in meiner Hand“.

Die Opposition kritisierte Merkels Auftritt. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück warf ihr „erschreckende Ahnungs- und Hilflosigkeit“ vor. Er forderte die Kanzlerin bei „Spiegel Online“ auf, von den USA schriftliche Zusicherungen einzufordern, dass die Überwachung gestoppt werde.

Linke-Chefin Katja Kipping beklagte: „Außer Ankündigungen hat die Kanzlerin keine Antworten. Sie gibt die Ahnungslose.“ Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck sprach von einer „Beleidigung an alle Zuhörer, die Aufklärung erwartet haben“.

Der US-Geheimdienst NSA kundschaftet angeblich im großen Stil die Kommunikation von Bürgern und Politikern auch in Deutschland aus - vor allem durch das Programm „Prism“. Einzelheiten und Umfang der Ausspähung sind aber seit Wochen unklar.

Seit wenigen Tagen steht im Raum, dass „Prism“ auch in Afghanistan zum Einsatz kommt - zur Überwachung von Terrorverdächtigen und zum Schutz der Soldaten. Die Bundeswehr soll damit zu tun gehabt haben. Laut Regierung und Bundesnachrichtendienst (BND) handelt es sich um unterschiedliche Programme. Es gibt jedoch Zweifel an dieser Darstellung und daran, dass die Regierung nichts von der Ausspähung ahnte, wie sie beteuert.

Merkel sagte dazu lediglich, was mit dem von der Nato in Afghanistan genutzten Programm geschehe, sei überlebenswichtig für die Soldaten. Die Sorge in Deutschland, dass Daten der Bürger flächendeckend abgeschöpft würden, sei aber nicht ausgeräumt. Nachfragen zu den vermeintlichen zwei „Prism“-Programmen wich Merkel aus. Sie betonte, die Klärung der offenen Fragen dauere an. „Wer heute hierhergekommen ist mit der Erwartung, dass ich das Ergebnis von solchen Aufklärungsarbeiten vorstellen könnte, der ist mit einer falschen Erwartung hierhergekommen.“

Die Regierung habe den Amerikanern einen umfangreichen Fragenkatalog übermittelt und warte nun auf Antworten. Geprüft werde auch, was es mit den Berichten auf sich habe, wonach die NSA in Wiesbaden den Bau eines neuen Abhörzentrums plane. US-Präsident Barack Obama habe eine Prüfung der deutschen Bitten zugesagt, sagte Merkel. „Ich kann doch nur zur Kenntnis nehmen, dass unsere amerikanischen Partner Zeit für die Prüfung brauchen. Mir hilft auch keine Zusage, die sich hinterher nicht als wahrheitsgemäß erweist. Insofern warte ich lieber.“

Merkel rief die USA erneut auf, auf deutschem Boden deutsches Recht einzuhalten: „Deutschland ist kein Überwachungsstaat.“ Nicht alle technischen Möglichkeiten seien beim Kampf gegen den Terror auch zulässig. „Der Zweck heiligt nicht die Mittel.“

Den zuständigen Kabinettsmitgliedern, Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) und Kanzleramtsminister Ronald Pofalla (CDU), denen die Opposition mangelnden Einsatz vorwirft, sprach die Regierungschefin ihr „vollstes Vertrauen“ aus.

Merkel versprach, Deutschland werde sich an verschiedenen Stellen für einen besseren Schutz der Privatsphäre der Bürger einsetzen. Mit den USA liefen die Gespräche über die angebliche Datenabschöpfung. In der EU treibe die Bundesregierung die Arbeit an der Reform des Datenschutzes voran. Dort solle eine Auskunftspflicht eingefügt werden, wenn Daten an Drittstaaten weitergegeben würden. Auch bei den Vereinten Nationen bemühe sich Deutschland um internationale Datenschutzstandards. Außerdem kümmere sich die Regierung um technische Fragen - etwa mit einem geplanten Runden Tisch zur Sicherheitstechnik in der IT.