Nach Mordserie von Toulouse Debatte um Konsequenzen
Paris (dpa) - Nach dem Tod des Serienmörders von Toulouse arbeitet Frankreich die Bluttaten politisch auf - und fragt sich, warum der Mann nicht lebend gefasst wurde. Auch zur Rolle des Geheimdienstes gibt es Klärungsbedarf.
Frankreichs Regierung will Konsequenzen ziehen und im Eilverfahren neue Gesetze gegen islamistische Hassprediger verabschieden. Während Tausende am Freitag in der südfranzösischen Stadt ihre Solidarität mit den Familien der Opfer bekundeten, begann die Politik mit der Aufarbeitung des Dramas.
Mitten im Präsidentschaftswahlkampf geht Amtsinhaber Nicolas Sarkozy gestärkt aus der „nationalen Tragödie“ hervor, wie er die Anschlagserie nannte. In der ersten Umfrage nach dem Ende der Bluttaten überholte der konservative Staatschef seinen sozialistischen Herausforderer François Hollande. Im ersten Wahlgang am 22. April würde Sarkozy demnach als Sieger hervorgehen, in der Stichwahl am 6. Mai allerdings gegen Hollande den Kürzeren ziehen.
Die Staatsanwaltschaft verlängerte nach Berichten der Nachrichtenagentur AFP den Polizeigewahrsam für die Mutter des am Vortag getöteten Serienmörders Mohamed Merah sowie seinen Bruder und dessen Frau. Der 29-jährige Bruder steht im Verdacht, muslimischen Extremisten nahezustehen.
Premierminister François Fillon sagte dem TV-Sender RTL, im Falle einer Zustimmung aller Parteien sei die Billigung eines Gesetzes gegen Hassprediger im Parlament noch vor der Präsidentenwahl am 22. April möglich. Ein Gesetzentwurf soll dem Kabinett in den kommenden zwei Wochen präsentiert werden.
Präsident Sarkozy hatte als Konsequenz aus den Serienmorden angekündigt, Hassprediger im Internet und Besucher entsprechender Websites bestrafen zu wollen. Außerdem sollten auch gegen jeden, der sich im Ausland indoktrinieren lasse, Strafverfahren eingeleitet werden. Kritiker äußerten jedoch Zweifel an der Umsetzbarkeit der Pläne.
Merah hatte sich selbst als Mudschahedin (Gotteskrieger) bezeichnet und der Polizei erklärt, dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahezustehen. Nach Behördenangaben gab es zunächst aber keine Beweise dafür.
Der Franzose algerischer Abstammung stand unter Beobachtung der Geheimdienste, weil er in Afghanistan und Pakistan war und dort auch Terror-Camps besucht haben soll. Zuletzt war er nach Angaben von Innenminister Claude Guéant Ende vergangenen Jahres befragt worden.
Der 23-Jährige hatte am Montag vor einer jüdischen Schule in Toulouse drei Kinder und einen Religionslehrer erschossen. Zuvor hatte er am 11. und 15. März mit derselben Waffe in Toulouse und Montauban drei Soldaten umgebracht.
Fillon verteidigte das Vorgehen der Behörden gegen den Serienmörder, der am Donnerstag nach erbittertem Widerstand von einem Scharfschützen der Polizei erschossen worden war. Es sei für die Geheimdienste trotz der Überwachung des Mannes unmöglich gewesen, die brutale Mordserie vorherzusehen.
„Er wurde befragt, überwacht, abgehört. Das ist ein Mann, der ein normales Leben führte“, sagte Fillon. Zudem sei in einem Rechtsstaat eine lückenlose 24-Stunden-Überwachung nicht problemlos möglich. „Die Tatsache, einer salafistischen Organisation anzugehören, ist nicht an sich ein Delikt. Wir dürfen nicht religiösen Fundamentalismus und Terrorismus vermengen.“
Auch Merahs Reisen seien überwacht worden: „Mit Blick auf seine Reisen war er auch in Frankreich auf einer Liste.“ Wäre er an einem Airline-Schalter aufgetaucht, hätte man sofort den Inlandsgeheimdienst alarmiert. Merah hatte auch in den USA auf einer sogenannten No-fly-Liste des Geheimdienstes gestanden.
Der Leiter des Einsatzkommandos, das Merahs Wohnung in Toulouse mehr als 32 Stunden belagert und ihn vergeblich zur Aufgabe zu bewegen versucht hatte, erklärte den Tod des Attentäters mit dessen extrem aggressiven Verhalten. Amaury de Hautecloque sagte dem TV-Sender RTL, seine Einheit sei mit dem festen Vorsatz ins Haus eingedrungen, ihn lebend zu fassen. Deshalb habe er auch zunächst nicht-tödliche Waffen wie Blendgranaten eingesetzt. „Wir sind nur langsam vorgedrungen“, betonte er. Doch der 23-Jährige habe extrem aggressiv gehandelt.
Eine Schweigeminute für den Serienmörder bringt eine französische Sprachlehrerin aus Rouen in Bedrängnis. Sie hatte laut AFP ihre Schüler am Morgen eine Minuten lang dem Attentäter gedenken lassen und behauptet, sein Bezug zu Al-Kaida sei eine Erfindung der Medien und auch von Präsident Sarkozy. Bildungsminister Luc Chatel verlangte die „sofortige Suspendierung“ der Pädagogin sowie die Einleitung disziplinarischer Maßnahmen.