Nach Protestaktionen greift Peking hart durch
Peking (dpa) - Chinas Sicherheitsbehörden haben nach vereinzelten Protestaktionen vom Wochenende in einigen Städten die Verfolgung der Bürgerrechtsbewegung verschärft. Am Montag wurden mehrere Festnahmen von Menschenrechtsanwälten bekannt.
Das Regime fürchtet Verhältnisse wie in der arabischen Welt. Die Zensur verschärfte die Kontrolle des Internets. Ein massives Aufgebot von Polizei zeigte sich am Montag demonstrativ auf Pekings Straßen. Erstmals seit mehr als vier Monaten Hausarrest gelang es der Frau des inhaftierten chinesischen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, sich mit einem Hilferuf zu Wort zu melden: „Meine ganze Familie wird als Geisel gehalten.“
An mehreren Orten waren Menschen am Sonntag einem anonymen Appell im Internet gefolgt, der zu Demonstrationen nach dem Beispiel der Volksaufstände im arabischen Raum in 13 Städten aufgerufen hatte. Der Ruf nach einer „Jasmin-Revolution“ in China war begleitet von Forderungen nach Freiheit und politischen Reformen. Der Aufruf richtete sich an Arbeitslose, Opfer von Zwangsräumungen, Bittsteller, Unterstützer der freiheitlichen Kräfte oder der 2008 veröffentlichten „Charta 08“ für Demokratie und Menschenrechte in China.
Wie viele Menschen sich beteiligten, war unklar. Die englischsprachige Zeitung „Global Times“ sprach von nur „einer Handvoll“, während chinesischsprachige Staatsmedien die Zwischenfälle ganz verschwiegen. „Einige im Westen wollen, dass China „das nächste Ägypten“ wird. Das ist einfach unmöglich“, kommentierte das Blatt, das vom kommunistischen Parteiorgan herausgegeben wird. „Ein paar Leute, die Parolen rufen und Jasmin-Blüten in den Straßen werfen, werden den Vorwärtsdrang des Landes nicht bremsen.“
Trotzdem ging die Staatssicherheit gegen dutzende Bürgerrechtler und Aktivisten vor. Außer dem Menschenrechtsanwalt Teng Biao wurde am Samstag auch Jiang Tianyong von der Polizei abgeholt, wie seine Frau Jin Bianling der Nachrichtenagentur dpa in Peking berichtete. In beiden Fällen wurden Computer konfisziert. „Die Polizisten hielten ein Papier hoch, das ein Durchsuchungsbefehl sein sollte.“ Vermisst werden auch der Anwalt Tang Jitian und andere, wie Nicholas Bequelin von Human Rights Watch der dpa berichtete.
„Auch wenn die Jasmin-Versammlungen in politischer Hinsicht nicht signifikant sind, könnten sie trotzdem ein Vorgeschmack auf die Dinge sein, die in Zukunft kommen“, sagte Bequelin. Der Forscher wies darauf hin, dass erstmals über das Internet in mehreren Städten gleichzeitig Proteste koordiniert wurden. Die Zensurbehörden reagierten schnell. Suchwörter wie „Jasmin-Revolution“ wurden in Online-Diensten gesperrt. Im Mikroblogging-Dienst des populären Sina-Portals ließ sich nur noch nach Namen suchen, nicht mehr nach Themen, wie ein Mitarbeiter des Online-Dienstes der dpa bestätigte.
Trotz des strengen Hausarrests in ihrer Pekinger Wohnung gelang es der Frau des Nobelpreisträgers Liu Xiaobo, mit einem alten Computer eine Verbindung zum Internet herzustellen. Sie fühle sich „elendig“, schrieb die 51-Jährige am Donnerstag in einer Online-Unterhaltung mit einem Freund, wie die „Washington Post“ berichtete. „Ich weine“, schrieb Liu Xia. „Niemand kann mir helfen.“ Ihr Anwalt Shang Baojun berichtete der dpa, seine Mandantin werde in völliger Isolation gehalten. „Ich kann immer noch keinen Kontakt zu ihr aufnehmen.“
Die „Washington Post“ konnte die Echtheit des Transkripts nicht unabhängig bestätigen, berichtete aber, dass ein anderer Freund ebenfalls gesehen habe, dass Liu Xia online gewesen sei. Sie hatte ihren Mann ein letztes Mal am 10. Oktober im Gefängnis besuchen können. Danach gab sie noch kurze Interviews und verbreitete ein Schreiben, bevor sie unter Hausarrest gestellt wurde.