Nervöses Warten auf Madrid
Spanien gilt als Kandidat für europäische Nothilfen. Doch während sich die Lage verschlechtert, zögert die Regierung weiter.
Madrid. Die Talfahrt Spaniens hält an: Auch die internationale Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) lässt nun das hochverschuldete Euro-Land fallen. Die Kreditwürdigkeit wurde um zwei Stufen auf die Note BBB— herabgesetzt und befindet sich nun eine Note über dem Ramsch-Niveau. Ähnlich schlecht hatten bereits die Analysten der Agentur Moody’s den Krisenstaat eingeordnet. Weil die Aussichten verheerend sind: Spaniens Staatsschulden steigen, statt zu sinken, die Sparbeschlüsse verpuffen wirkungslos. Die Massenarbeitslosigkeit, die bereits 25 Prozent der aktiven Bevölkerung betrifft, und die wirtschaftliche Rezession vertiefen sich.
Die Abstufung, die einen wachsenden Vertrauensverlust der Finanzmärkte signalisiert, dürfte es Spanien weiter erschweren, neue Kredite aufzunehmen. Sinkende Noten für die Kreditwürdigkeit bedeuten üblicherweise, dass bei der Ausgabe von Staatsanleihen den Gläubigern höhere Zinsen gezahlt werden müssen. Derzeit werden Spaniens zehnjährige Anleihen bereits mit rund sechs Prozent Zinsen gehandelt. Analysten rechnen damit, dass das Krisenland sich auf diesem Zinsniveau nicht mehr lange finanzieren kann und früher oder später unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen muss.
Auch S&P geht davon aus, dass Spanien seine mit der EU vereinbarten Defizitziele vermutlich nicht einhalten kann und die befürchtete Staatspleite näher rückt: „Die Risiken in den öffentlichen Finanzen Spaniens werden immer größer.“ Milliardenschwere Sparprogramme und schmerzhafte Steuererhöhungen haben nicht verhindern können, dass Spaniens Finanzlöcher größer wurden. Auch weil sich die nach dem Immobiliencrash im Jahr 2007 abgestürzte Wirtschaft noch immer im freien Fall befindet und in 2013 wohl ebenfalls nicht anspringen wird. Und damit zudem die Steuereinnahmen weiter schrumpfen werden.
S&P warnt gleichzeitig vor „wachsenden Spannungen“ durch „zunehmende soziale Unzufriedenheit“. Straßenproteste und Streiks sind inzwischen an der Tagesordnung. Auch von einigen Regionen droht Gefahr, welche in der Krise ihr eigenes Süppchen kochen. Wie etwa das industriestarke Katalonien oder das eigenwillige Baskenland, die nach Unabhängigkeit streben und so zusätzliche Probleme für die Nation heraufbeschwören.
Angesichts der schlechten Aussichten und geringen Reformerfolge wachsen in der EU-Zentrale in Brüssel die Sorgen, dass Spanien ein ähnlich chronisches Krisenland werden könnte wie Griechenland. Der konservative Regierungschef Mariano Rajoy in Madrid betreibt derweil seit Wochen eine Art Katz- und Mausspiel: Er fordert Hilfe, lehnt es aber ab, sich den damit verbundenen Bedingungen und einer Kontrolle durch die Gläubiger-Troika zu unterwerfen.
Vor allem deswegen schiebt Rajoy den schon lange erwarteten Rettungsantrag immer weiter hinaus. Er zögert auch aus innenpolitischen Motiven, weil im Oktober und November wichtige Regionalwahlen anstehen, bei denen indirekt auch über Rajoys Kurs abgestimmt wird.