Neue Spannungen mit Russland und China nach G7-Gipfel
Ise-Shima (dpa) - Die sieben großen Industrienationen (G7) bieten Russland und China die Stirn. Zum Abschluss ihres Gipfels in Japan drohten die Staats- und Regierungschefs dem russischen Präsidenten Putin wegen des anhaltenden Konflikts in der Ukraine mit neuen Sanktionen.
Auch ließen sie sich nicht von Chinas Drohungen einschüchtern und schalteten sich in den Territorialstreit im Südchinesischen Meer ein, indem sie eine „friedliche“ Beilegung forderten.
Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise, im Kampf gegen den internationale Terrorismus und Cyberangriffe kündigte die Siebener-Gruppe energische Maßnahmen an. Dem vom Zerfall bedrohten Irak werden die reichen Industrienationen mit einer Finanzspritze von 3,2 Milliarden Euro beim Wiederaufbau zu helfen, um damit die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zurückzudrängen und Fluchtursachen in dem Bürgerkriegsland zu bekämpfen.
Neuen Schwung wollen die Industrienationen der schwächelnden Weltkonjunktur geben, doch waren die Gegensätze groß. Mit allen Mitteln, darunter Haushalts- und Geldpolitik sowie Strukturreformen, sollen die Probleme gelöst werden. Jedes der G7-Länder soll aber seinen eigenen Weg wählen. Auch sollen die Bemühungen verstärkt werden, „die Verschuldung auf einen nachhaltigen Weg zu bringen“. Darauf hatte Kanzlerin Angela Merkel bestanden.
Zur Irak-Hilfe sagte die Kanzlerin: „Der Irak muss nach unserer festen Überzeugung stabilisiert werden.“ Die IS-Terroristen haben große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle. Deutschland hatte bereits im Februar angekündigt, dem Irak einen Kredit von 500 Millionen Euro zu gewähren. Das wird in die jetzt beschlossene Hilfe einberechnet.
Die Kanzlerin, die bei dem Treffen für mehr Solidarität in der Flüchtlingskrise geworben hatte, zeigte sich erfreut. „Ich bewerte den Gipfel schon als Erfolg.“ Der Irak gehört zu den wichtigsten Herkunftsländern der Flüchtlinge, die nach Europa kommen. Weitere Zugeständnisse der internationalen Partner in der Flüchtlingskrise gab es aber nicht, obwohl eine „globale Antwort“ gefordert wurde.
Entwicklungsorganisationen übten scharfe Kritik. Trotz vollmundiger Bekundungen habe der Gipfel keine konkreten Finanzzusagen für Flüchtlinge oder zur Bewältigung von Hunger und Armut gebracht. „Die G7-Staaten haben erbärmlich versagt“, fand Ian Koski von One. Es fehle auch ein Plan zur Umsetzung des vor einem Jahr im bayrischen Elmau verkündeten Ziels, 500 Millionen Menschen bis zum Jahr 2030 von Hunger und Nahrungsmangel zu befreien, bemängelte World Vision.
Die G7-Chefs sprachen sich ausdrücklich für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union aus und stärkten damit Premierminister David Cameron den Rücken. In einem Satz, der überraschend in das Abschlussdokument aufgenommen wurde, warnt die Gruppe, ein Brexit wäre eine „ernste Gefahr“ für das wirtschaftliche Wachstum. Während Merkel sagte, es sei in den Gesprächen „kein Thema“ gewesen, hob Cameron hervor, es habe sehr wohl eine Rolle gespielt. Besonders US-Präsident Barack Obama und Japans Premier Shinzo Abe hätten vor den Folgen gewarnt.
Kein Entgegenkommen zeigt die G7 bei Russland, das wegen der Annexion der Krim 2014 aus dem Kreis ausgeschlossen worden war. Die Ende Juli auslaufenden Strafmaßnahmen gegen Moskau sollen so lange bestehen bleiben, bis das Friedensabkommen umgesetzt sei. Russland konterte die Verlängerung der Sanktionen mit einer Fortsetzung seiner eigenen Strafmaßnahmen gegen den Westen. Regierungschef Dmitri Medwedew ordnete in Moskau an, das Einfuhrverbot für westliche Lebensmittel bis Ende 2017 zu verlängern.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte die Hoffnung auf Fortschritte im Friedensprozess und hielt in dem Fall eine stufenweise Lockerung der Sanktionen gegen Russland für möglich. Bei einem Besuch in Estland sagte er, Deutschland bemühe sich darum, den „Weg zu einem Kompromiss“ zu bahnen.
Trotz der Warnungen Pekings, sich aus dem Konflikt herauszuhalten, mischten sich die großen Industrienationen demonstrativ in die Inselstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer ein. In dem Kommuniqué fordern sie, alle Parteien sollten von „einseitigen Maßnahmen“ absehen, die die Spannungen erhöhen, und „keine Gewalt oder Zwangsmaßnahmen ergreifen, um ihre Ansprüche durchzusetzen“.
Obwohl China namentlich nicht genannt wurde, reagierte das Außenministeriums in Peking empört. China sei „äußerst unzufrieden“. Die Einmischung der G7 sei nicht förderlich für die Stabilität in der Region. China erhebt fast auf das gesamte Südchinesische Meer Anspruch und streitet mit den Philippinen, Brunei, Malaysia, Vietnam und Taiwan um die fisch- und rohstoffreichen Gewässer. Peking schüttete Inseln auf und legte Landebahnen sowie Militäranlagen an, um seine Ansprüche zu untermauern.