Nigeria: Islamisten ermorden europäische Geiseln
Addis Abeba/Abuja (dpa) - Missglückte Befreiungsaktion mit tödlichen Folgen: Radikalislamisten haben in Nigeria zwei europäische Geiseln getötet, nachdem das nigerianische Militär zusammen mit Einsatzkräften aus Großbritannien versucht hatte, die Männer aus der Gewalt ihrer Entführer zu befreien.
Bei den Opfern handelt es sich um einen Briten und einen Italiener. Beide waren in dem westafrikanischen Land für eine italienische Baufirma tätig. Für die Tat wird die Sekte Boko Haram verantwortlich gemacht, die seit Jahren Christen im muslimisch geprägten Norden des Landes terrorisiert.
Die italienische Regierung reagierte am Freitag verärgert. Die Aktion habe stattgefunden, ohne Rom vorher über die Pläne zu informieren, kritisierte Ministerpräsident Mario Monti. In einer Mitteilung hieß es, die italienischen Behörden hätten die Entwicklungen seit der Entführung der Männer am 12. Mai 2011 stets „in enger Zusammenarbeit“ mit den britischen Kollegen verfolgt.
Der Befreiungsversuch sei aber am Donnerstag von Großbritannien und Nigeria ganz plötzlich gestartet worden - und Italien wurde erst benachrichtigt „als die Operation schon im Gange war“. Monti rief die Sicherheitskräfte seines Landes zu einem Treffen zusammen. Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano nannte es „unerklärlich“, dass die britische Regierung Rom nicht rechtzeitig informiert habe. „Nötig ist eine politische und diplomatische Klärung“, forderte er nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa.
Der britische Premierminister David Cameron sagte, es habe den Anschein gehabt, dass sich eine günstige Gelegenheit für eine Befreiungsaktion aufgetan hatte. Der Befreiungsschlag fand im Bundesstaat Sokoto im Nordwesten Nigerias statt.
Offenbar waren Informationen zum Aufenthaltsort der Geiseln durchgedrungen, nachdem am Dienstag mehrere Boko-Haram-Mitglieder bei einem Schlag gegen die Sekte festgenommen worden waren, berichtete die Zeitung „Daily Trust“. Der Polizei sei es anschließend bei Verhören gelungen, die Inhaftierten zum Reden zu bringen. Sie hätten Tipps gegeben, wo die Europäer gefangen gehalten wurden.
Bei der folgenden Befreiungsaktion gelang es den Einsatzkräften, die Kidnapper zu fassen. Jedoch konnten sie die Geiseln nicht mehr retten. Der nigerianische Präsident Goodluck Jonathan schrieb in einer Mitteilung, es habe sich um einen „traurigen, unglücklichen und bedauernswerten“ Vorfall gehandelt. Die Täter müssten sich vor Gericht verantworten.
Bei Anschlägen auf Kirchen, Polizeistationen und Lokale, in denen Alkohol ausgeschenkt wird, hatte die Boko Haram in den vergangenen Monaten Hunderte Menschen getötet. Jedoch ist die Gruppe, die sich selbst auch die „nigerianischen Taliban“ nennt, bisher nicht für Entführungen bekannt.