Mieten Breites Bündnis fordert Gesetz für Mietenstopp
DÜSSELDORF/BERLIN · In angespannten Wohnungsmärkten soll es sechs Jahre lang keine Mietpreissteigerung geben.
Juliane Schneider, die am Freitag bei einer Pressekonferenz des Bündnisses „Mietenstopp“ auftritt, heißt nicht wirklich so. Sie verwendet ein Pseudonym, weil sie Angst hat, dass sie sonst demnächst keinen Vermieter mehr findet. Dabei sagt die Geschichte, die die Frau da erzählt, ganz und gar nichts über sie als „renitente“ Mieterin. Sie sagt etwas über die Habgier ihres Vermieters, mit dem man lieber nichts zu tun haben möchte:
In einer akuten (Wohnungs-) Notsituation hatte sich Schneider gezwungen gesehen, einen Mietvertrag zu unterzeichnen, der es in sich hat. Sie wohnt in einem Münchner Hochhaus mit 160 Wohnungen. In einer Einzimmerwohnung auf 31 Quadratmetern. Für 900 Euro Kaltmiete. Plus 90 Euro Nebenkosten und 80 Euro Strom (Nachtspeicherofen).
Mietwucher? Ganz bestimmt. Doch das muss sie dem Vermieter erst mal nachweisen. Nach einigem Papierkram mit der Stadt schickt die Behörde eine Mitarbeiterin vorbei, es wird ein Gutachten erstellt, bei dem übrigens auch noch herauskommt, dass das Appartement nur die 31 statt der im Vertrag versprochenen 34 Quadratmetern. Und: Sie müsse maximal 435 Euro Miete zahlen. Die Stadt schreibt daraufhin den Vermieter an, der bekommt jetzt Zeit zur Stellungnahme.
Das Problem Mietwucher
Solche Fälle von Mietwucher dürften wohl die Ausnahme sein. Doch diesen Fällen ist von Mieterseite schwer beizukommen. Monika Schmid-Balzert, Sprecherin der Kampagne Mietenstopp, fordert, dass der Gesetzgeber den Mietwucher-Paragrafen (§ 5 Wirtschaftsstrafgesetz) „scharf stellen“ müsse. Zwar sehe die Vorschrift eine Absenkung der Miete und ein Bußgeld für Vermieter vor, wenn die Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Doch der Paragraf sei bisher in der Praxis kaum anwendbar, da die Mieter beweisen müssen, dass der Vermieter eine Zwangslage aufgrund des geringen Angebots an Wohnungen ausgenutzt hat. Daher sei der Paragraf ein zahnloser Tiger.
Das Problem steigender Mieten
Die Kampagne Mietenstopp, zu der sich mehr als 140 Organsationen, unter ihnen Mieterbund, Deutscher Gewerkschaftsbund, Arbeiterwohlfahrt und Paritätischer Gesamtverband zusammengetan haben, hat aber nicht nur die krassen Mietwucherfälle im Blick. Es geht ganz generell um die immer weiter steigenden Mieten. Diese hätten bei Bestandswohnungen laut „ImmoScout24 WohnBarometer“ 2021 bundesweit um durchschnittlich 4,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr angezogen, bei Neubauwohnungen seien es sogar sieben Prozent. Hier müsse die Berliner Ampel-Koalition tätig werden.
Aber wie? Zwar begrüßt der Deutsche Mieterbund das Ziel der Regierungskoalition, jährlich 100.000 geförderte Wohnungen zu bauen. Denn der Bestand an solchen Sozialwohnungen habe sich seit 2006 fast halbiert. Während rund 65.000 Wohnungen pro Jahr aus der Mietpreis- und Belegungsbindung fallen und die Vermieter sodann Marktmieten forden können, wurden zuletzt weniger als 30.000 neue Sozialwohnungen jährlich gebaut. „Das heißt, dass dem deutschen Mietwohnungsmarkt jedes Jahr rund 40.000 Sozialwohnungen, sprich bezahlbare Wohnungen, verloren gehen“, so Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten. Zumindest bis das ambitionierte Ziel der Koalition für den Neubau erreicht sei, brauche es auch Regelungen, die die Mietpreisanstiege begrenzen.
Was das Bündnis Mietenstopp will
Mieterhöhungen in bestehenden Mietverhältnissen müssten, differenziert nach Wohnungsmärkten, für sechs Jahre stärker begrenzt werden, fordert „Mietenstopp“. Dazu müsse der Bund Städte und Gemeinden den unterschiedlichen Wohnungsmarkttypen zuordnen. Und dann sollte, so die Idee, dies gelten:
In stark angespannten Wohnungsmärkte dürften Mieterhöhungen im Bestand befristet für sechs Jahre gar nicht möglich sein. In etwas weniger angespannten Wohnungsmärkten solle eine maximale Mietsteigerung von sechs Prozent in drei Jahren erlaubt sein, soweit die bislang gezahlte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigt. Für die restlichen Gebiete solle bundesweit und flächendeckend eine Kappungsgrenze von zehn Prozent in drei Jahren gelten.
Reaktion von Haus und Grund
Was sagt „Haus und Grund“, die Vermieterseite, dazu? Auf Anfrage betont Alexander Wiech, Mitglied der Geschäftsführung des Verbands: „Diese Kampagne unterstellt, dass Mieter per se bedürftig sind und Vermieter reich. Dies entspricht nicht der Realität.“ Mietsteigerungen seien für breite Bevölkerungsgruppen kein Problem, weil die Löhne in den vergangenen Jahren in fast allen Kreisen schneller gestiegen seien als die Bestandsmieten. Deshalb könnten pauschale Mietbeschränkungen nicht die Lösung sein. Unterstützung benötigen besondere Bevölkerungsgruppen wie beispielsweise Alleinerziehende, alleinstehende Rentner, Studenten.
Auch Haus und Grund sieht das Problem hauptsächlich in der hohen Nachfrage nach Wohnraum in begehrten Regionen. Wiech: „Hier hilft nur zusätzlicher Wohnraum. Wir brauchen gezielt zusätzliche Bauflächen. Dies würde den Wohnungsmarkt entspannen und Umzugswilligen helfen.“ Mietstopps nutzten dagegen ausschließlich jenen, die in den kommenden Jahren keine Umzugspläne haben.