Nordkorea droht Diplomaten - UN fordert Mäßigung und Kurswechsel
Seoul/Washington/Berlin (dpa) - Nordkorea setzt weiter auf Provokation: Der kommunistische Staat, der zuletzt mit einem Angriff auf den Süden und die USA sowie einem Atomschlag drohte, legte am Freitag mehreren Ländern den Abzug ihrer Diplomaten aus der Hauptstadt Pjöngjang nahe.
Betroffen ist neben Russland und Großbritannien unter anderen auch Deutschland, wie die Nachrichtenagentur dpa in Berlin erfuhr.
Nordkoreas Militär verlegte eine zweite Mittelstreckenrakete an die Ostküste des Landes, wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap berichtete. Bereits am Vortag hatte das südkoreanische Verteidigungsministerium mitgeteilt, dass Nordkorea eine Mittelstreckenrakete an die Ostküste verlegt habe. Die Flugkörper haben eine Reichweite von bis zu 4000 Kilometern und könnten Südkorea, Japan oder eine US-Militärbasis auf der Insel Guam im Pazifik treffen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte das Regime in Pjöngjang zur Mäßigung und einem Kurswechsel auf.
Großbritannien, Russland und Rumänien erklärten, Nordkorea habe vor Gefahren für das Botschaftspersonal beider Länder in Pjöngjang gewarnt. Eine Aufforderung zur Evakuierung der Vertretung habe es aber nicht gegeben, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in London. Es gebe auch keine entsprechenden Pläne. Die Warnung bezeichnete er als „Teil der derzeitigen Rhetorik Nordkoreas“.
Die USA zeigten sich weiterhin gelassen. „Das ist nur eine eskalierende Serie rhetorischer Stellungnahmen“, sagte Viktoria Nuland, Sprecherin des States Departments am Freitag. Sie fügte allerdings hinzu: „Die Frage ist, mit welchem Ende.“
Die Londoner Regierung berichtete von einer Warnung, dass Nordkorea „im Falle eines Konflikts nach dem 10. April“ nicht in der Lage sei, Botschaften und internationale Organisationen zu schützen. Die Bedeutung dieses Datums blieb zunächst unklar. Beobachter schließen nicht aus, dass das kommunistische Regime anlässlich der Feierlichkeiten zum 101. Geburtstag von Staatsgründer Kim Il Sung am 15. April die Raketen abschießen könnte, dem Großvater des heutigen Machthabers Kim Jong Un.
Nach Angaben des Presseattachés der russischen Botschaft in Pjöngjang, Denis Samssonow, empfahl das nordkoreanische Außenministerium den Russen den Abzug ihrer Diplomaten und Mitarbeiter. Russlands Außenminister Sergej Lawrow zeigte sich besorgt. „Wir klären gerade die Einzelheiten, dann treffen wir eine Entscheidung.“
Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte eine solche Warnung zunächst nicht. Offiziell hieß es: „Die Sicherheit und Arbeitsmöglichkeit unserer Botschaft in Pjöngjang wird angesichts der Eskalation laufend überprüft.“ Linken-Vorstansmitglied Wolfgang Gehrcke plädierte dafür, die Botschaft in Pjöngjang nicht zu räumen und diplomatische Knaäle offen zu halten.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) ließ am Freitag Nordkoreas Botschafter in Berlin einbestellen. Dem Diplomaten sei „in deutlichen Worten die sehr große Sorge der Bundesregierung angesichts der von Nordkorea zu verantwortenden Eskalation“ vermittelt worden, sagte Ministeriumssprecher Andreas Peschke. Das jüngste Vorgehen der Führung in Pjöngjang sei „im Ton und in der Sache in keiner Weise akzeptabel“.
Das rumänische Außenministerium berichtete, dass die nordkoreanische Regierung die Evakuierung aller Botschaften in Pjöngjang empfohlen habe. Nach Aussage einer Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton stehen die Botschaften der EU-Staaten in Nordkorea in ständigem Kontakt miteinander, um möglichst einheitlich auf die Bedrohung zu reagieren. Von den 27 EU-Mitgliedern sind aktuell nur sieben in Pjöngjang mit Botschaftern vertreten.
UN-Generalsekretär Ban hatte Nordkorea zuvor zu einem Kurswechsel aufgerufen. „Atomwaffen sind kein Spielzeug“, betonte der Südkoreaner am Donnerstag. Es bestehe die Gefahr, dass der Konflikt außer Kontrolle gerate. „Ich bin besorgt, denn jeder Kalkulationsfehler und jede Fehleinschätzung können in der jetzigen Lage auf der koreanischen Halbinsel eine Krise auslösen, die äußerst schwerwiegende Folgen hätte.“
Rückendeckung für Nordkorea gab es aus dem Iran, der ebenfalls wegen seiner Atomprogramme unter internationalem Druck steht. Der südostasiatische Staat habe angesichts der „kriegstreiberischen Politik“ der USA keine andere Wahl, als sich zu wehren, zitierte die Nachrichtenagentur Fars am Freitag den Vize-Chef des iranischen Militärs, Massoud Jazayeri.
Kubas Ex-Staatschef Fidel Castro warnte Nordkorea indes vor einem Krieg. Dies würde beiden Völkern auf der koreanischen Halbinsel nur „furchtbare Opfer“ abverlangen, schrieb der 86-jährige Revolutionsführer an die Adresse seines alten Verbündeten aus Sowjetzeiten.
Eine Entspannung ist auch in dem von Nord- und Südkorea gemeinsam betriebenen Industriepark Kaesong nicht in Sicht. Die Führung in Pjöngjang verweigert seit Mittwoch sowohl südkoreanischen Pendlern als auch Lieferanten die Einreise. Wegen eines Feiertages in Nordkorea erschienen die 53 000 nordkoreanischen Mitarbeiter am Freitag ohnehin nicht zur Arbeit in den 123 Unternehmen.
Unterdessen bekannten sich Aktivisten der Hacker-Bewegung Anonymous zu Angriffen auf nordkoreanische Internet-Angebote. Als eigene „Demonstration der Macht“ schrieben sie an Diktator Kim Jong Un gerichtet: „Wir sind in euren Intranets. Wir sind in euren Mail-Servern. Wir sind in euren Web-Servern.“
Die Lage auf der koreanischen Halbinsel gilt seit dem dritten Atomtest in Nordkorea im Februar als extrem gespannt. Pjöngjang hatte als Reaktion auf die Ausweitung von UN-Sanktionen und südkoreanisch- amerikanische Militärmanöver den Waffenstillstandsvertrag von 1953 aufgekündigt. Am Samstag rief Pjöngjang den „Kriegszustand“ im Verhältnis zu Südkorea aus. Seit den 1950er Jahren befinden sich die Nachbarn formell weiter im Krieg.