Nordkorea reizt mit der Atom-Karte
Regime will Reaktor in Yongbyon wieder in Betrieb nehmen. Pjöngjang wird dadurch noch unberechenbarer.
Seoul/Pjöngjang. Der Reaktor verfügt lediglich über die Leistung eines großen Windrades, für die Stromproduktion ist er viel zu klein. Und dennoch könnte das stalinistische Regime in Nordkorea mit dem Atommeiler Yongbyon wieder kernwaffentaugliches Plutonium herstellen.
Mit der jüngsten Drohung, den seit Jahren abgeschalteten Kernreaktor wieder zum Laufen zu bringen, setzt Pjöngjang den nächsten Paukenschlag in der Dauerfehde mit Südkorea und den USA. Zudem hat das Land in seinem Atomzentrum Yongbyon eine Anlage für die Anreicherung von Uran, das in dieser Form auch für den Atombombenbau verwendet werden kann.
Dadurch wird das Land laut Beobachtern im Konflikt um ein Atomprogramm noch unberechenbarer. Beobachter sehen hinter der Ankündigung zum Reaktorneustart auch eine taktische Maßnahme. Das Ziel bleibt, als vollwertige Atommacht anerkannt zu werden.
Damit dürfte der Beschluss des Zentralkomitees der herrschenden Arbeiterpartei vom Wochenende in die Tat umgesetzt werden, den Ausbau des Atomwaffenarsenals und die wirtschaftliche Entwicklung parallel zu betreiben. Mit dieser „Zweifach-Strategie von wirtschaftlicher und militärischer Entwicklung“ befinde sich der junge Machthaber Kim Jong Un auf den Spuren seines Großvaters und „Republikgründers“ Kim Il Sung, so Experten.
Die Ankündigung zum Reaktor-Neustart erfolgte nach einer Serie von Kriegsdrohungen gegen die USA und Südkorea. Das hatte die USA dazu veranlasst, Langstreckenbomber, einen Zerstörer sowie ein schwimmendes Riesenradar nach Südkorea zu schicken, um Stärke zu demonstrieren.
Beobachter warnen zudem, dass Nordkorea es ernst damit meine, sich seine Atomwaffen um keinen Preis der Welt „abhandeln“ zu lassen. Als Hauptgegner im zugespitzten Konflikt sieht Nordkorea dabei die USA. Der verhassten Weltmacht unterstellt das Regime, einen Atomkrieg vorzubereiten — zugleich will man aber mit Washington „auf Augenhöhe“ verhandeln.
Die Aussicht, dass Nordkorea beim Atombombenbau mit Plutonium und Uran zweigleisig fährt, wird mit großer Besorgnis gesehen. Es sei wahrscheinlich, dass Nordkorea bei seinem jüngsten Atomtest im Februar hoch angereichertes Uran benutzt habe, schreibt die US-Organisation Arms Control Association.
Der US-Atomwaffenexperte Siegfried Hecker schätzt, dass Nordkorea über Plutonium für vier bis acht Bomben verfügt. Hecker hatte Nordkorea in den vergangenen Jahren mehrfach besucht und 2010 dabei auch Zugang zu Yongbyon erhalten.