NSA-Affäre: Obama-Begeisterung in Deutschland vorbei
Berlin (dpa) - Die NSA-Abhöraffäre hat zum Absturz der Beliebtheitswerte von US-Präsident Barack Obama in Deutschland und zu einem erheblichen Vertrauensverlust geführt.
Insgesamt ist das Ansehen der Vereinigten Staaten in Deutschland so ramponiert wie zu Zeiten von Obamas Vorgänger George W. Bush, bilanziert der ARD-„Deutschlandtrend“. Die Frage, ob der nach Russland geflüchtete Ex-NSA-Mitarbeiter und Enthüller Edward Snowden in Deutschland Asyl bekommen sollte, spaltet die Bevölkerung.
Laut „Deutschlandtrend“ sind nur noch 43 Prozent der Befragten mit der Arbeit Obamas zufrieden - im September 2012 waren es noch 75 Prozent. Bei der Wiederwahl vor einem Jahr hatte der US-Präsident in Deutschland Beliebtheitswerte wie kein anderer Politiker. Oft lagen sie bei mehr als 90 Prozent.
Nur noch gut ein Drittel der Bürger in Deutschland glaubt, dass die USA ein vertrauenswürdiger Partner sind. Laut ZDF-„Politbarometer“ sehen 61 Prozent das Verhältnis zu den USA wegen der Spionageaffäre sehr stark oder stark belastet. Auch die deutschen Geheimdienste werden sehr kritisch gesehen. 81 Prozent glauben, dass sie sich ähnlich verhalten wie der umstrittene US-Geheimdienst National Security Agency und - wie die NSA - auch in befreundeten Ländern Telefone abhören und Daten sammeln.
Laut „Politbarometer“ sind 46 Prozent der Bürger dafür, Snowden Asyl zu gewähren, selbst wenn dies das Verhältnis zu den USA stark belasten würde. 46 Prozent sind dagegen. Die Auffassungen unterscheiden sich deutlich zwischen den politischen Lagern. So ist nur etwa ein Drittel der CDU/CSU-Anhänger dafür, dass Deutschland dem 30-Jährigen Asyl gewährt, aber 68 Prozent der Linke-Anhänger. Auch jeweils etwas mehr als die Hälfte der Befragten aus den Lagern von SPD, Grünen und der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD) wollen, dass Snowden Asyl in Deutschland erhält.
Snowden hatte mit seinen Enthüllungen die Affäre um die NSA-Ausspähaktivitäten ins Rollen gebracht. In Moskau hat er zunächst bis zum Sommer 2014 Asyl erhalten. In den USA droht ihm ein Prozess wegen Geheimnisverrats. Laut Snowdens Enthüllungen soll das Handy von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seit 2002 von der NSA abgehört worden sein. Die Aktion wurde angeblich erst in diesem Sommer beendet. Unklar ist, inwieweit Obama Bescheid wusste. Derzeit verhandelt Berlin mit der US-Regierung über eine Vereinbarung, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholt.
Regierungssprecher Steffen Seibert nannte als Kernpunkte einer solchen Vereinbarung am Freitag den Datenschutz, der Schutz der Privatsphäre und die Einhaltung der deutschen Gesetze. „Wir brauchen nach den Verunsicherungen der vergangenen Wochen und Monate eine klare Grundlage. Dazu werden Zusicherungen gehören.“ Auf den Begriff „No-Spy-Abkommen“ (in etwa: Anti-Spionage-Abkommen) wollte sich Seibert aber nicht festlegen lassen.
Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag) wird es kein Regierungsabkommen geben, das der Zustimmung des US-Kongresses bedarf. Möglich sei eine Geheimdienst-Vereinbarung. Deutsches Ziel sei, das Ausspähen der jeweils anderen Regierung auszuschließen und der Wirtschaftsspionage einen Riegel vorzuschieben. Die Vereinbarung soll möglichst noch in diesem Jahr perfekt gemacht werden.
Linksfraktionschef Gregor Gysi forderte die Bundesregierung auf, sich stärker gegen Spähangriffe der US-Dienste zur Wehr zu setzen. Dass deutsches Asyl für Snowden in den USA als diplomatischer Affront betrachtet werden dürfte, sei hinnehmbar, sagte er der Berliner „Tageszeitung“ (Samstag). „'Ne kleine Backpfeife haben die ja auch verdient.“
Gemeinsam mit Brasilien treibt Deutschland bei den Vereinten Nationen die Verabschiedung einer Resolution gegen Datenspionage voran. Am Donnerstag (Ortszeit) befasste sich der zuständige Ausschuss erstmals in einer öffentlichen Anhörung damit. Mit dem Text sollen alle Staaten aufgefordert werden, auch im Internet das Menschenrecht auf Datenschutz zu respektieren. Der Entwurf wird nun innerhalb der nächsten drei Wochen an die UN-Vollversammlung weitergeleitet. Dort wird mit einer klaren Mehrheit gerechnet. Rechtlich bindend sind solche Resolutionen nicht.