Papstbuch vorgestellt: Autor warnt vor Verkürzung
Rom (dpa) - Papst Benedikt XVI. hat mit Äußerungen zur Homosexualität die Hoffnungen auf einen grundlegenden Kurswechsel der katholischen Kirche in der Sexuallehre enttäuscht.
In einem Interviewbuch, das Autor Peter Seewald am Dienstag offiziell in Rom vorstellte, nimmt der Papst Stellung zur Homosexualität und räumt auch Probleme im Umgang mit dem Missbrauchsskandal ein. Schwulen- Verbände kritisierten die Papst-Äußerungen scharf. Er hatte Homosexualität als „moralisch nicht richtig“ bezeichnet.
Seewald wandte sich nach der Diskussion über die Lockerung des Kondom-Verbotes entschieden dagegen, das Weltbild des 83-jährigen Papstes auf diese Frage zu reduzieren. Der 256-Seiten-Interviewband des deutschen Publizisten trägt den Titel „Licht der Welt. Der Papst, die Kirche und die Zeichen der Zeit“ und erscheint am Mittwoch in acht Sprachen. Seewald hatte im vergangenen Sommer insgesamt sechs Stunden mit dem römisch-katholischen Kirchenoberhaupt in dessen Residenz Castel Gandolfo bei Rom gesprochen.
Zur Homosexualität sagt der Papst: „Sie (die Homosexualität) bleibt etwas, das gegen das Wesen dessen steht, was Gott ursprünglich gewollt hat.“ Wenn jemand starke homosexuelle Neigungen habe, dann sei das für denjenigen eine große Prüfung. „Aber das bedeutet nicht, dass Homosexualität dadurch moralisch richtig wird“, wird Benedikt zitiert. Der Sinn von Sexualität sei, „Mann und Frau zueinander zu führen und damit der Menschheit Nachkommenschaft, Kinder, Zukunft zu geben“. Daran müsse man festhalten.
Die italienische Schwulen- und Lesbenorganisation Arcigay kritisierte den Papst wegen seiner Haltung scharf. Seine Worte erniedrigten viele Millionen Menschen, die alltäglich gegen Beleidigungen ankämpfen müssten, sagte Paolo Patane, Präsident von Arcigay. Benedikt habe in dem Buch Homosexualität als moralisch verwerflich dargestellt.
Auch der schwule deutsche Theologe und Buchautor David Berger („Der heilige Schein“) meinte, dass sich an der katholischen Sexualmoral im Großen und Ganzen nichts ändern werde. „Die nur in extremen Ausnahmen zugelassene Kondom-Nutzung ist das Zückerchen, das den Essig der kirchlichen Sexualmoral etwas versüßen soll“, sagte der 42-Jährige aus Köln der Deutschen Presse-Agentur. Benedikt XVI. vertrete eine antiquierte Sexualmoral und lasse reaktionäre Kreise gewähren. „Ich habe aber die Hoffnung, dass mit dem kleinen Schritt, den Benedikt XVI. geht, vielleicht später eine Bresche geschlagen wird in den Wall kirchlicher Einengungen.“
Benedikt erklärt im Buch, im Einzelfall sei die Benutzung von Kondomen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids zu erlauben. Medien und kirchliche Hilfsorganisationen werteten dies nach Vorabdrucken bereits als sensationellen Kurswechsel.
Der Präsident des Päpstlichen Rates zur Neuevangelisierung, Rino Fisichella, betonte dagegen am Dienstag, Benedikts Äußerungen in dem Gesprächsbuch „Licht der Welt“ bedeuteten keine Wende in der katholischen Sexuallehre. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagte, die Aussagen seien zwar „keine Sensation, aber doch etwas Neues, das man bislang so von einem Papst nicht gehört hat“.
Benedikt sagt in dem Buch: „Es mag begründete Einzelfälle geben, etwa wenn ein Prostituierter ein Kondom verwendet, wo dies ein erster Schritt zu einer Moralisierung sein kann.“ Es sei in den Gespräch um die Verwendung von Präservativen im Kampf gegen die Immunschwächekrankheit Aids gegangen, nicht um Verhütung, sagte Seewald.
Den Missbrauchsskandal sieht der Pontifex als große Krise: „Für mich jedenfalls war es eine Überraschung, dass der Missbrauch auch in Deutschland in dieser Größenordnung existierte“, sagt er in dem Buch. An Rücktritt habe er jedoch nicht gedacht.
Als „Super-GAU“ bezeichnete Benedikt die Tatsache, bei der Annäherung an die erzkonservativen Piusbrüder nichts von dem Holocaust-Leugner Richard Williamson gewusst zu haben. Er räumt Fehler in der Krisenbewältigung des Vatikans ein. Außerdem plädiert er für Moscheen in westlichen Ländern.
Seewalds Gesprächsbuch ist ein Novum: Noch nie hat ein Papst im direkten Gespräch eine solche Zwischenbilanz seines Pontifikats möglich gemacht hat. Dabei habe es keinerlei Zensur durch den Vatikan gegeben, sagte Seewald.