Paris fürchtet mysteriösen Schützen
Die Polizei und ganz Frankreich rätseln über die Motive des bewaffneten Mannes, der am Dienstag noch auf der Flucht war.
Paris. Ein Rachefeldzug? Vielleicht wegen Berichterstattung, die dem Täter ungerecht oder falsch erschien? Die Taten eines psychisch kranken Mannes? Oder politisch motivierte Attentate? In Frankreich wird über das Motiv für die brutalen Überfälle auf zwei Pariser Medienhäuser gerätselt. Bis Dienstagabend konnte die Polizei den flüchtigen Täter nicht fassen. Die Ermittler fürchten nun, dass der Unbekannte noch einmal zuschlagen könnte.
Anlass zu Sorge geben der Polizei vor allem die Aussagen der Zeugen der beiden ersten Überfälle. Sie berichten von einem ruhig und entschlossen wirkenden Mann, der genau zu wissen scheint, was er tut. „Der Kerl hat ein Gewehr aus seiner Umhängetasche gezogen und zweimal auf die erste Person gefeuert, die er gesehen hat. Das hat nicht länger als zehn Sekunden gedauert“, zitierte die Zeitung „Libération“ einen Mitarbeiter, der am Vortag miterleben musste, wie in der Eingangshalle des Verlags ein Fotoassistent (23) niedergeschossen wurde. Er schwebt noch in Lebensgefahr.
Ähnlich äußerte sich BFMTV-Chefredakteur Philippe Antoine, der am Freitag im Redaktionsgebäude seines Senders von dem Täter bedroht worden war. Der Mann habe ohne Panik gehandelt, berichtete er. Der Täter bedrohte ihn mit seiner Pumpgun, drückte aber nicht ab. „Nächstes mal werde ich euch nicht verfehlen“, habe der Attentäter kurz vor seiner Flucht gedroht.
Bei der Fahndung nach dem mysteriösen Unbekannten hofft die Polizei weiter auf Hinweise aus der Bevölkerung. Die Ermittler veröffentlichten am Dienstag ein weiteres Bild des Mannes. Zu zuvor veröffentlichten Aufnahmen gab es Hunderte Hinweise.
Der Gesuchte, ein 35 bis 45 Jahre alter Mann europäischen Typs, steht auch unter dringendem Tatverdacht, nach dem Überfall auf das Verlagsgebäude der „Libération“ ein Auto gekapert zu haben, um sich von dem Fahrer aus dem Geschäftsviertel La Défense in die Innenstadt bringen zu lassen. In La Défense soll der Mann mehrfach vor dem Hochhaus der französischen Großbank Société Générale um sich geschossen haben — allerdings ohne jemanden zu verletzen. Auf der Flucht soll er sich noch umgezogen haben.
„Diese Person ist zweifelsohne äußerst gefährlich. Das ist niemand, der in Panik gerät, aufgibt oder sich versteckt“, kommentierte der Kriminalpsychologe Jean-Pierre Bouchard in einem Interview des Radiosenders France Info. Der Experte vermutet, dass eine „persönliche Geschichte“ hinter den Taten des Mannes stecken könnte.