Proteste gegen Freispruch des Todesschützen von Florida
Washington (dpa) - Nach dem umstrittenen Freispruch im Fall des erschossenen schwarzen Jugendlichen Trayvon Martin weiten sich die Proteste in den USA aus.
Mehr als 600 000 Menschen unterzeichneten bis Montagmittag (Ortszeit) eine Petition der Schwarzenorganisation NAACP, die das Justizministerium zu einer neuen Anklage gegen den Todesschützen, den Hispano-Amerikaner George Zimmerman, zwingen soll. Die Justizbehörde prüft einen solchen Schritt. Zuvor hatten in mehreren US-Städten Tausende Menschen gegen das Urteil eines staatlichen Geschworenengerichts in Sandford (Florida) demonstriert.
Zimmerman hatte im Februar 2012 in Florida den unbewaffneten schwarzen Jugendlichen erschossen. Die sechsköpfige Jury, der kein Afroamerikaner angehörte, sprach Zimmerman ihn in der Nacht zum Sonntag vom Vorwurf des Mordes und Totschlags frei. Der Angeklagte hatte sich auf Notwehr berufen, die im US-Staat Florida juristisch besonders weit ausgelegt wird.
Zu spontanen Protestmärschen kam es unter anderem in Los Angeles, Oakland, San Francisco, Boston und New York. Die meisten Demonstrationen verliefen friedlich. In Los Angeles und New York gab es jedoch mehrere Festnahmen, nachdem Demonstranten Steine und Flaschen auf Polizisten und Gebäude geworfen hatten. In der kalifornischen Metropole wurde zudem der Verkehr auf einer wichtigen Autobahn vorübergehend durch protestierende Jugendliche blockiert.
US-Präsident Barack Obama hatte zuvor zu Ruhe und Besonnenheit aufgerufen. Er nannte den Tod des 17-jährigen Martin eine nationale Tragödie. Zugleich warb er für schärfere Waffengesetze, die er bisher im Kongress nicht durchsetzen konnte.
Wie sein Sprecher Jay Carney am Montag sagte, wird sich Obama aber nicht in die Frage einmischen, ob Zimmerman jetzt wegen Bürgerrechtsverletzungen vor ein Bundesgericht gestellt werden soll. Das sei allein die Entscheidung der US-Justizbehörde, sagte Carney.
Justizminister Eric Holder ließ es am Montag offen, ob es zu einer neuen Anklage kommt. Er sagte am Montag in Washington lediglich, dass seine Behörde bereits nach der Tötung des schwarzen Jugendlichen im Frühjahr vergangenen Jahres Ermittlungen wegen möglicher Verstöße Zimmermans gegen Bürgerrechte eingeleitet habe. Die Untersuchungen würden „im Einklang mit Fakten und dem Gesetz“ fortgesetzt.
Holder äußerte zugleich Verständnis für die Proteste nach dem Freispruch Zimmermans. „Ich teile Eure Sorgen“, sagte er und rief zugleich dazu auf, den Fall Martin als Gelegenheit zum offenen Dialog über das Problem Rassismus zu nutzen.
Die größte US-Schwarzenorganisation NAACP und andere Gruppen dringen darauf, dass Zimmerman wegen Verletzung von Trayvon Martins „fundamentales Recht auf Leben“ belangt wird. Die Webseite mit der entsprechenden Petition war zeitweise so überlastet, dass sie zusammenbrach. Ähnliche Petitionen starteten New Yorker Bürger auf einer Plattform des Weißen Hauses.
Zimmerman hatte Trayvon Martin erschossen, als er für eine Bürgerwehr auf Patrouille war. Die Anklage argumentierte, dass Zimmerman den Teenager verfolgte und dann tötete. Die Verteidiger beriefen sich dagegen auf Notwehr, weil sich Zimmerman vom jungen Martin, der mit einem Kapuzenpulli bekleidet war, bedroht gesehen habe. Der Freispruch war Wasser auf die Mühlen von Bürgerrechtlern, die den Fall als Beispiel rassistisch motivierter Gewalt gegen Schwarze sehen. Der Geschworenenjury hatte kein Schwarzer angehört. Der Freispruch löste auch eine erneute Debatte über die Waffengewalt in den USA aus.
In Florida dürfen sich Bürger, die sich von einem Gewaltverbrechen bedroht sehen, mit allen Mitteln wehren - bis hin zur Tötung des mutmaßlichen Angreifers. Die Regelung ist unter dem Namen „Stand-Your-Ground-Law“ (deutsch: Nicht von der Stelle weichen) bekannt. Ähnliche Gesetze gelten in vielen anderen US-Bundesstaaten. Die Verteidigung hatte sich im Prozess zwar nicht ausdrücklich auf diese Regelung berufen, dennoch spielte sie nach Einschätzung von Rechtsexperten beim Freispruch eine Rolle.