Snowden besitzt noch brisantes Material, um den USA zu schaden
Ein mit dem US-Enthüller vertrauter Journalist verweist darauf, dass noch nicht alle Informationen veröffentlicht wurden.
Moskau. Der US-Enthüller Edward Snowden verfügt nach Kenntnis des „Guardian“-Journalisten Glenn Greenwald über weit mehr brisantes Material, als er bisher preisgegeben hat.
„Snowden besitzt genügend Informationen, um der US-Regierung innerhalb einer Minute mehr Schaden zuzufügen, als es jede andere Person in der Geschichte der USA jemals getan hat“, sagte Greenwald der argentinischen Zeitung „La Nación“. Noch immer sitzt Snowden am Moskauer Flughafen Scheremetjewo fest.
In einem Versuch, weiteren Schaden abzuwenden, rief US-Präsident Barack Obama in der Nacht zum Samstag (Moskauer Zeit) Kremlchef Wladimir Putin an. Offiziell hieß es, beide Präsidenten hätten den Fall Snowden erörtert. Kremlsprecher Dmitri Peskow betonte, dass Obama selbst die Initiative ergriffen habe. Details des Gesprächs nannte er nicht. Kremlchef Putin hatte zuvor erklärt, dass Snowden nicht ausgeliefert werde und nur dann in Russland bleiben könne, wenn er aufhöre, den USA Schaden zuzufügen.
Beobachter werteten das als Zugeständnis Russlands an die USA, um die gespannten Beziehungen zwischen beiden Ländern nicht weiter zu belasten. Der US-Regierung zu schaden, sei nicht Snowdens Anliegen, sagte „Guardian“-Reporter Greenwald. „Sein Ziel ist es, die Informationsprogramme aufzudecken, die von Menschen auf der ganzen Welt genutzt werden, ohne zu wissen, dass sie sich damit entblößen und ohne dass sie bewusst zugestimmt haben, ihr Recht auf Privatsphäre aufzugeben.“
Snowden besitzt demnach eine gewaltige Menge an Dokumenten. Tausende davon habe er auf verschiedene Orte verteilt und so „sichergestellt, dass mehrere Personen weltweit sein Archiv komplett haben“, sagte Greenwald. Das sei eine Lebensversicherung für den „Whistleblower“. Sollte ihm etwas zustoßen, würden diese Dokumente veröffentlicht. Für die Vereinigten Staaten wäre dies nach Einschätzung von Greenwald „ihr schlimmster Albtraum“.
Bei einem Treffen mit Menschenrechtlern und russischen Juristen hatte Snowden auf dem Flughafen am Freitag zunächst formlos Asyl beantragt. Er begründete das mit seiner ausweglosen Situation. Deshalb sei er auch bereit, auf Putins Bedingungen einzugehen. „Wenn Snowden diese akzeptiert, gibt es keinen Grund, ihm das zu verwehren“, twitterte der Chef des Auswärtigen Ausschusses in der Staatsduma, Alexej Puschkow.
Auch andere führende Politiker und Menschenrechtler gingen davon aus, dass Snowden den Flüchtlingsstatus erhalten werde. Der 30-Jährige hoffe, dann mit neuen Papieren nach Lateinamerika weiterzureisen, teilte die Bürgerrechtlerin Tanja Lokschina von der Organisation Human Rights Watch (HRW) in Moskau mit.
Die russischen Behörden haben bisher keinen Asylantrag von Snowden erhalten. „Wenn das Gesuch eintrifft, wird es nach der gesetzlichen Ordnung bearbeitet“, sagte der Chef der Migrationsbehörde, Konstantin Romodanowski am Samstag. Politisches Asyl sei „unvereinbar mit der russischen Versicherung, keine Verschlechterung der Beziehungen durch Snowden zu wollen“, sagte US-Regierungssprecher Jay Carney.
Die USA hatten Russland wiederholt dazu aufgefordert, Snowden auszuliefern. Russland lehnt dies ab. Offizielle Begründung: die in den USA angewendete Todesstrafe sowie das Fehlen eines Auslieferungsabkommens. dpa