Spionage-Vorwürfe gegen Mursi
Kairo (dpa) - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dringt auf die Freilassung des an einem unbekannten Ort festgesetzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi.
„Ich teile die Auffassung von Außenminister Guido Westerwelle, dass Herr Mursi wieder freigelassen werden sollte“, sagte sie am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“. Derweil prüft die Staatsanwaltschaft in dem nordafrikanischen Land Spionage-Vorwürfe gegen den Anfang Juli vom Militär abgesetzten Präsidenten und ließ die Vermögen von 14 führenden Kadern der Muslimbruderschaft, aus der Mursi stammt, sperren. Die Islamisten kündigten für Montag neue Massenproteste im ganzen Land an.
Merkel warb dafür, alle Gruppen zur weiteren politischen Gestaltung Ägyptens ins Boot zu holen. „Es sind durch die Muslimbrüder die anderen ausgegrenzt worden. Jetzt darf nicht das Umgekehrte passieren, dass diejenigen, die jetzt vielleicht glauben, sie haben mehr Einfluss, die Muslimbrüder wieder ausgrenzen.“
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton appellierte an die Partei Freiheit und Gerechtigkeit (FJP), den politischen Arm der Muslimbruderschaft, sich nun doch am nötigen Versöhnungsprozess der politischen Akteure zu beteiligen. Zugleich mahnte sie rasche Neuwahlen an.
Die vom Militär unterstützten neuen Machthaber drücken derweil aufs Tempo. Am Sonntag wurde der langjährige Botschafter Ägyptens in Washington, Nabil Fahmi, für das Amt des Außenministers nominiert. Der Nobelpreisträger und liberale Politiker Mohammed ElBaradei legte den Amtseid als Vizepräsident für internationale Beziehungen ab. Übergangspremier Hasem al-Beblawi führte am selben Tag weitere Gespräche mit Anwärtern auf Regierungsämter. Er will in wenigen Tagen sein neues Kabinett vorstellen. Es soll bis zu 30 Mitglieder haben. Am Sonntag wollte der stellvertretende Außenminister Bill Burns nach Kairo reisen, um sich dort unter anderem mit Mitgliedern der Übergangsregierung zu treffen.
Mursi war am 3. Juli vom Militär abgesetzt worden. Zuvor hatten zum Teil blutige Massenproteste von Millionen Ägyptern ein Ende seiner zunehmend autoritären Herrschaft verlangt. Die Armee habe sich in einer außergewöhnlichen Situation „vorbehaltlos in den Dienst des Volkes gestellt“, sagte Militärchef Abdel Fattah Al-Sisi am Sonntag in einer Ansprache vor Offizieren. Sie habe in die Politik eingegriffen, weil das Volk nach ihr gerufen habe. „Die Streitkräfte sind ihrer Rolle verpflichtet und gehen nicht über sie hinaus“, fügte er hinzu.
Mursi und seine Muslimbruderschaft müssen sich nun möglicherweise wegen Spionage verantworten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft werden derzeit Verdachtsmomente gegen Mursi geprüft wie „Zusammenarbeit mit ausländischen Agenturen zum Zwecke der Schädigung nationaler Interessen, Anstiftung zum Mord an friedlichen Demonstranten, Angriffe gegen Militäreinrichtungen und Schädigung der Volkswirtschaft“. Kurz darauf fror die Behörde unter anderem das Vermögen des Muslimbruderschaft-Führers Mohammed Badia ein.
Gegen Mursis Absetzung demonstrierten auch am Wochenende noch zahlreiche Anhänger des Ex-Präsidenten im Protestcamp in der Kairoer Vorstadt Nasr City. Die befürchteten Ausschreitungen blieben aus.