Kataloniens-Ex-Präsident Puigdemont bleibt in Gewahrsam
Neumünster/Berlin (dpa) - Der in Deutschland festgenommene ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont bleibt vorerst in Gewahrsam. Das entschied das Amtsgericht Neumünster am Montagabend.
Das bedeute noch nicht, dass der 55-Jährige an Spanien ausgeliefert werde, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Georg Güntge. „Wir befinden uns jetzt erst im richtigen Auslieferungsverfahren. Jetzt wird geprüft, ob die Auslieferung zulässig ist.“ Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft ist es unwahrscheinlich, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) über einen Auslieferungshaftbefehl noch in dieser Woche fällt.
Die spanische Regierung begrüßte die Festnahme des Separatistenführers als „gute Nachricht“. Man vertraue der deutschen Justiz voll und ganz. Obwohl es möglich ist, dass Puigdemont am Ende nicht ausgewiesen, sondern freigelassen wird, sieht die Bundesregierung die Beziehungen zu Spanien nicht belastet.
Die Polizei hatte den 55-Jährigen am Sonntag an der Autobahn A7 nahe der dänischen Grenze festgenommen. Er war auf dem Weg nach Brüssel, wohin er sich im vergangenen Jahr abgesetzt hatte. Grundlage war ein europäischer Haftbefehl, den Spanien ausgestellt hatte. In diesem wurde ihm nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Die spanische Justiz ermittelt gegen Puigdemont seit dem hochumstrittenen katalanischen Unabhängigkeitsreferendum vom Oktober 2017, nach dem sie ihn abgesetzt hatte.
Puigdemont wurde am Montag aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster zur Identitätsfeststellung dem Amtsgericht vorgeführt. Puigdemont habe ein ruhigen und gefassten Eindruck gemacht, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Güntge. Er habe seine Einwände gegen eine Auslieferung selbst vorgetragen. Vor dem Gebäude warteten am Montag rund 100 Journalisten auf Neuigkeiten, darunter auch Teams des katalanischen Fernsehens.
Am Abend demonstrierte ein kleines Grüppchen, das aus Spanien angereist war, vor der JVA Neumünster, die direkt neben dem Amtsgericht liegt. Teilweise waren sie in katalanische Flaggen gehüllt. Sie skandierten auf Spanisch „Freiheit für politische Gefangene“. Puigdemont bekamen weder die Demonstranten noch die Journalisten zu sehen. Er legte die wenigen Meter zwischen Gefängnis und Gericht in einem abgedunkelten Van zurück, abgeschirmt durch ein Spalier von Polizisten.
Aus Sicht von Puigdemonts Anwalt ist eine Auslieferung an Spanien nicht selbstverständlich. Dafür müsse gewährleistet sein, dass seinem Mandanten in Spanien ein fairer Prozess gemacht werde, sagte Jaume Alonso-Cuevillas dem Radiosender Radio Euskadi. Eine Debatte über die Vergleichbarkeit der Delikte Rebellion und Aufruhr aus dem spanischen Strafrecht und des Hochverrats des deutschen Strafrechts lehnte er ab. In beiden Rechtssystemen werde die Anwendung von Gewalt vorausgesetzt - diese habe es nicht gegeben.
Das katalanische Parlament kündigte an, am Mittwoch eine Dringlichkeitssitzung abzuhalten. Die drei die Unabhängigkeit befürwortenden Parteien brachten gemeinsam einen Antrag ein, in dem gefordert wird, die politischen Rechte Puigdemonts zu achten und ihm den Amtsantritt als Regierungschef Kataloniens zu ermöglichen.
Regierungssprecher Steffen Seibert betonte in Berlin: „Spanien ist ein demokratischer Rechtsstaat.“ Der Konflikt um Katalonien müsse „innerhalb der spanischen Rechts- und Verfassungsordnung“ gelöst werden. Die Bundesregierung habe in den vergangenen Monaten daher auch das Vorgehen der spanischen Regierung in diesem Konflikt unterstützt. Nun gelte es, die Verfahren der zuständigen Behörden und Gerichte in Schleswig-Holstein abzuwarten.
Grünen-Chef Robert Habeck warb für eine Vermittlerrolle der EU im Konflikt zwischen Madrid und Katalonien. Eine politische Einmischung in den juristischen Prozess nach Puigdemonts Verhaftung verbiete sich, sagte er in Berlin. Für die offenen Fragen in diesem Fall gebe es Rechtsnormen. Es sei aber Aufgabe der Politik, den Konflikt um Katalonien zu lösen. Da sei auch die EU gefragt, zu vermitteln, wenn die Konfliktparteien das wollten.
Die Linke im Bundestag will den Rechtsausschuss und den Auswärtigen Ausschuss einberufen. Sie beantragte am Montag entsprechende Sondersitzungen zum nächstmöglichen Zeitpunkt. „Dass nun ein Gericht in Schleswig-Holstein über die Zukunft Kataloniens mitentscheiden soll, ist ein Witz“, erklärte der Fraktionschef Dietmar Bartsch.
Gegen die Festnahme Puigdemonts protestierten am Sonntagabend in Barcelona rund 50.000 Menschen. Am Rande kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei. Dabei wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörden mehr als 90 Menschen verletzt, darunter mehr als 20 Beamte.