Oberlandesgericht entscheidet Puigdemont kommt unter Auflagen frei
Schleswig (dpa) - Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont kann nicht wegen des spanischen Hauptvorwurfs der Rebellion ausgeliefert werden.
Das schleswig-holsteinische Oberlandesgericht erließ einen Auslieferungshaftbefehl nur wegen des zweiten Vorwurfs der Untreue - und setzte den Haftbefehl auch noch unter Auflagen außer Vollzug. Zudem hält es zum Untreue-Vorwurf weitere Klärungen und mehr Informationen für nötig.
Mit der Freilassung Puigdemonts aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Neumünster wurde nach Angaben einer Justizbediensteten und seines Anwalts frühestens für Freitag gerechnet. Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört unter anderem die Zahlung einer Sicherheit in Höhe von 75 000 Euro. Zudem muss er sich nach Angaben eines Gerichtssprechers einmal pro Woche bei der Polizei melden. Über diesen Punkt hatte zuerst die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Freitag) berichtet.
Auf Puigdemonts Twitter-Account wurde - vermutlich von Mitarbeitern - gepostet: „Wir sehen uns morgen. Vielen Dank an alle!“ Sein spanischer Anwalt Jaume Alonso-Cuevillas sprach von einem „großen Erfolg“. Puigdemonts deutscher Anwalt Till Dunckel sagte der Deutschen Presse-Agentur, man wolle so schnell wie möglich die Auflagen erfüllen, damit er so schnell wie möglich das Gefängnis verlassen könne.
Das Gericht in Schleswig erklärte in einer schriftlichen Mitteilung, der 1. Senat des OLG sei der Auffassung, „dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der "Rebellion" die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist“. Der nach deutschem Recht in Betracht kommende Straftatbestand des Hochverrats sei nicht erfüllt, weil es am Merkmal der Gewalt fehle.
Etwas anderes gelte für den Vorwurf der „Korruption“ in Form der Untreue. Insoweit erweise sich die Auslieferung „nicht als von vornherein unzulässig“, bedürfe aber weiterer Klärung, erklärte das OLG zu seiner Entscheidung.
Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont in Spanien der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt sein könnte, seien für den Senat nicht ersichtlich.
Puigdemonts deutsche Strafverteidiger betonten, „der unerhörte Vorwurf einer „Rebellion““ sei jetzt aus der Welt. In Bezug auf den Vorwurf einer möglichen Korruption/Untreue erklärten sie: „Wir respektieren, dass das Gericht in dieser für das europäische Demokratieverständnis richtungsweisenden Sache nicht über die Auslieferung entscheiden möchte, ohne der spanischen Justiz noch ein weiteres Mal Gelegenheit zu geben, den einzig noch in Betracht kommenden Vorwurf zu belegen.“
Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy nahm die Entscheidung der deutschen Justiz mit Bedauern auf. „Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger“, sagte Justizminister Rafael Catalá in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden.
Der ehemalige Regionalpräsident von Katalonien kam am 25. März ins Gefängnis von Neumünster in Gewahrsam. Er war an dem Tag auf der Rückfahrt von einer Skandinavienreise an der Autobahn 7 in Schleswig-Holstein festgenommen worden war. Grundlage war ein Europäischer Haftbefehl.
Hintergrund ist das von der Zentralregierung in Madrid untersagte und vom spanischen Verfassungsgericht für verfassungswidrig eingestufte Referendum vom 1. Oktober 2017 über die Unabhängigkeit Kataloniens sowie ein anschließender Abspaltungsbeschluss der Separatisten. Die spanischen Behörden werfen Puigdemont als damaligem Regionalpräsidenten Kataloniens vor, das verbotene Referendum habe 1,6 Millionen Euro öffentliche Gelder gekostet. Der Politiker war nach dem Referendum im Herbst nach Belgien geflüchtet.
Die OLG-Entscheidung bedeutet einen juristischen Teilerfolg für den Katalanen. Denn die spanische Justiz wirft ihm Rebellion und die Veruntreuung öffentlicher Gelder zugunsten einer Abspaltung vor. Dafür drohen dem 55-Jährigen in Spanien bis zu 30 Jahre Haft. Sollte er am Ende der juristischen Verfahren von Deutschland tatsächlich nach Spanien ausgeliefert werden, dürfte er dort allenfalls noch wegen Untreue angeklagt werden - nicht wegen Rebellion, weil dieser Vorwurf als Auslieferungsgrund abgelehnt wurde.
Für die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig bedeutet die OLG-Entscheidung eine Schlappe. Sie war nach Prüfung des Europäischen Haftbefehls zu dem Ergebnis gelangt, „dass ein zulässiges Auslieferungsersuchen vorliegt“.