Hintergrund Wie geht es juristisch weiter im Fall Puigdemont?
Neumünster/Schleswig (dpa) - Nach der Entlassung von Carles Puigdemont aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster geht das juristische Tauziehen um eine Auslieferung des katalanischen Separatistenführers an Spanien weiter - es könnte sich fast bis Ende Mai hinziehen.
Wie das im Einzelnen ablaufen wird, hängt auch von der Generalstaatsanwaltschaft und dem Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig ab - und der spanischen Justiz.
Zunächst müsste die Generalstaatsanwaltschaft beim OLG beantragen zu prüfen, ob eine Auslieferung Puigdemonts wegen Untreue rechtlich zulässig ist. „Insoweit seien noch weitere tatsächliche Umstände zu klären und weitere Informationen einzuholen“, hatte das OLG am Donnerstag zu diesem Punkt erklärt, als es über den Auslieferungshaftbefehl - aber noch nicht die Auslieferung selbst - entschieden hatte. Den Hauptvorwurf der Rebellion hatte das Gericht aber bereits in dieser Vorentscheidung als „von vorneherein unzulässig“ verworfen.
Ob, wann und mit welcher Begründung die Generalstaatsanwaltschaft einen Antrag auf rechtliche Zulässigkeit der Auslieferung stellt, ließ eine Sprecherin der Behörde offen. Dies könne im Zweifel einige Tage dauern.
Sollte es zu einem Antrag kommen, „wird die Generalstaatsanwaltschaft dies nach derzeitigem Kenntnisstand auf der Basis der rechtlichen Bewertung des OLG machen“. Im Klartext: Die Generalstaatsanwaltschaft würde nicht mehr den Vorwurf der Rebellion anführen und vom OLG prüfen lassen, auch wenn dies theoretisch noch möglich wäre. Denn die Richter hatten diesen Vorwurf ja bereits für chancenlos erklärt.
Über einen Antrag der Staatsanwaltschaft würde das OLG im Regelfall in einem schriftlichen Verfahren entscheiden. „Möglich ist aber auch die Durchführung eines mündlichen Verfahrens“, sagte die OLG-Sprecherin. Dabei sein muss ein Vertreter der Generalstaatsanwaltschaft. Puigdemont und sein Beistand - also die Anwälte - würden ebenfalls Gelegenheit zur Teilnahme haben. Ob eine mündliche Verhandlung mit einem oder mehreren Sitzungstagen auskäme, hängt vom jeweiligen Fall ab.
Entscheidet das OLG, dass eine Auslieferung rechtlich zulässig ist, geht der Fall zurück an die Generalstaatsanwaltschaft. Sie hat formal das letzte Wort und muss eine „Bewilligung“ aussprechen. Dann könnte Puigdemont ausgeliefert werden.
Fast bis Ende Mai bleibt noch Zeit. Denn die Entscheidung über eine Auslieferung soll laut Gesetz innerhalb von 60 Tagen nach der Festnahme fallen - Puigdemont war am 25. März aufgrund eines von Spanien initiierten Europäischen Haftbefehls auf der A7 in Schleswig-Holstein von der Polizei gestoppt worden.
Eine besondere Rolle kann die spanische Justiz spielen. Sollte sie den Europäischen Haftbefehl zurücknehmen, wäre das juristische Verfahren über eine Auslieferung sofort beendet. „Wenn kein Auslieferungsersuchen vorliegt, kann man Herrn Puigdemont auch nicht ausliefern“, erläuterte eine OLG-Sprecherin.
Dies wäre kein Novum: Das Oberste Gericht in Spanien zog den Europäischen Haftbefehl gegen Puigdemont und vier seiner ebenfalls nach Belgien geflüchteten Ex-Minister im Dezember 2017 überraschend zurück, obwohl die belgische Justiz ihr Verfahren um das spanische Auslieferungsgesuch noch nicht abgeschlossen hatte. Ob und warum Belgien die Politiker ausgeliefert hätte, blieb damit offen. Die belgische Staatsanwaltschaft hatte die Auslieferung befürwortet.
Es könnte ein Motiv geben für einen juristischen Rückzieher Spaniens: wenn das OLG in Schleswig lediglich Untreue als Auslieferungsgrund nennt. Denn nur dafür könnte Puigdemont im Falle einer Auslieferung in Spanien dann auch angeklagt und verurteilt werden. Für die spanische Justiz ist aber Rebellion der Hauptvorwurf, was für Puigdemont eine Haftstrafe von bis zu 30 Jahren bedeuten könnte. Die spanische Justiz könnte also mit dem Zurückziehen des Europäischen Haftbefehls eine Beschränkung der Anklagemöglichkeiten vermeiden und hoffen, Puigdemont noch auf anderem Weg zu fassen.