Wien Regierungskrise in Österreich: Kanzler Faymann tritt zurück
Wien. Noch am Vormittag hatte in Österreich niemand damit gerechnet, dass Werner Faymann von all seinen Funktionen als Bundeskanzler und Chef der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ) zurücktreten würde.
Zwei Wochen vor der Bundespräsidenten-Stichwahl, bei der rechtspopulistische FPÖ-Kandidat Norbert Hofer klar in Führung vor dem Grünen-Kandidaten Alexander van der Bellen liegt, stürzt Österreich nun in eine Regierungskrise.
Seit 2008 führte Faymann als Bundeskanzler eine große Koalition aus SPÖ und Österreichischer Volkspartei (ÖVP). Vizekanzler und somit designierter Amtsnachfolger Faymanns als Bundeskanzler ist seit 2014 der ÖVP-Politiker Reinhold Mitterlehner (61), der Faymanns Regierung seit 2008 als Wirtschaftsminister angehört.
Wann und ob es nun zu Neuwahlen in Österreich kommt, ist derzeit vollkommen offen. Am Mittag war zunächst auch unklar, ob der noch amtierende Bundespräsident Heinz Fischer (SPÖ) in seiner verbleibenden Amtszeit Vize-Kanzler Mitterlehner noch vereidigen wird. Laut eines Berichts des österreichischen Rundfunks ORF hatte Faymann seinen Vize Mitterlehner persönlich über den Rücktritt informiert. Bundespräsident Fischer sei telefonisch informiert worden. Faymann hatte sich am Morgen mit mehreren SPÖ-Landeschefs getroffen, seine schärfsten Kritiker offenbar aber nicht eingeladen. Mit dem Rücktritt kam er einem für 16 Uhr geplanten Treffen des Parteivorstands zuvor.
„Dieses Land braucht einen Kanzler, wo die Partei voll hinter ihm steht. Die Regierung braucht einen Neustart mit Kraft. Wer diesen Rückhalt nicht hat, kann diese Aufgabe nicht leisten“, sagte Faymann zur Begründung seines Rücktritts bei einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz. Österreich habe nach der schwierigen Phase der Finanzkrise im vergangenen Jahr den Flüchtlingsansturm zu bewältigen gehabt und gut gemeistert. Der scheidende Bundeskanzler verteidigte in seiner Rücktrittserklärung das Ende der österreichischen „Willkommens-Kultur“ und die Grenzschließungs- und Kontingent-Politik seiner Regierung: „Es wäre verantwortungslos gewesen, nicht auch eigene Maßnahmen zu setzen“, so Feymann.
Laut ORF soll nun im SPÖ-Parteivorstand am heutigen Nachmittag der Beschluss fallen, ob der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Häupl interimistisch als Bundesvorsitzender der Partei eingesetzt werde. Davon habe sich Häupl jedoch überrascht gezeigt und von einer „Phase des Nachdenkens“ gesprochen — und das tue man am besten schweigend. Der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl soll sich ebenfalls dagegen ausgesprochen haben, schon heute Entscheidungen zu treffen. Er gehe davon aus, so Niessl laut ORF, dass Häupl in den kommenden Tagen und Wochen Gespräche führen und ein neues Team zusammenstellen werde.
Noch am Wochenende waren führende SPD-Politiker davon ausgegangen, dass Faymann den Montag sowohl als SPÖ-Chef wie auch als Bundeskanzler überstehen werde. Demnach hätte Feymann die SPÖ bis zu einem Parteitag im November weiterführen können. Die Mehrheit für diesen Weg reichte Feymann offenbar nicht aus. Als Kompromiss hätte Feymann statt einer strikten Verweigerung gegenüber der FPÖ zustimmen müssen, Gemeinden und Länder selbst die Entscheidung zu überlassen, ob sie mit der FPÖ zusammen arbeiten wollten.