Meinung Faymanns Ende der Irrfahrt
Der österreichische Bundeskanzler stand seit seinem Amtsantritt nicht unbedingt in dem Verdacht, Überzeugungen und Ziele zu verfolgen. Innerhalb eines Jahres ist er nun konsequent gescheitert.
Im Sommer 2015 stand er in Sachen Flüchtlingspolitik noch an der Seite von Angela Merkel. Das kam — nicht anders als Merkel es in Deutschland erlebte — nicht bei allen Österreichern gut an. Worauf Faymann sich zu einer rabiaten Politik-Wende hinreißen ließ: Während er weiter für die SPÖ jede Zusammenarbeit mit der rechtspopulistischen FPÖ ausschloss, begab er sich unter dem Applaus seines Dauer-Koalitionspartners ÖVP selbst auf den Kurs der FPÖ.
Plötzlich fand er Zäune gut, betätigte sich als Torwächter der Balkan-Route, schraubte am Asylrecht und an Obergrenzen herum. Das vorhersehbare Ergebnis war die donnernde Niederlage sowohl von SPÖ als auch von ÖVP bei der Bundespräsidentenwahl. Weil Feymanns Politik der FPÖ recht gab, wählten die Österreich gleich das Original. Dass Faymann sich nun selbst nicht mehr zutraute, die Regierung und die SPÖ weiterzuführen, ist eine späte Einsicht, die unser südliches Nachbarland im Ergebnis weiter nach rechts geführt hat. Selbst noch in seiner Rücktrittserklärung ließ Faymann erkennen, dass er sich selbst nicht als Ursache der Regierungskrise sieht, die er (wenn auch nicht allein) zu verantworten hat.
Das Ende von Faymanns Irrfahrten ist aber noch keineswegs die Lösung. Dass Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) als sein Übergangs-Nachfolger gestern als erstes erklärte, Neuwahlen seien wohl nicht nötig, zeigt lediglich, wie verbraucht und erneuerungsunfähig die große Koalition Osterreichs ist. SPÖ und ÖVP haben sich in eine Sackgasse hinein regiert, aus der sie aus eigener Kraft nicht mehr herausfinden.
Das sollte CDU und SPD in Deutschland eine Warnung sein: Von der Fortsetzung verbrauchter Koalitionen profitieren in der Regel nie die Koalitionäre.