Richter stürzen Pakistan in tiefe Krise

Regierungschef der Atommacht soll festgenommen werden. Er steht unter Korruptionsverdacht.

Islamabad. Das pakistanische Verfassungsgericht hat die Festnahme von Premierminister Raja Pervez Ashraf (62) angeordnet und damit eine neue Regierungskrise der Atommacht ausgelöst.

Das Gericht wies den Sonderstaatsanwalt der Anti-Korruptionsbehörde am Dienstag an, insgesamt 16 Verdächtige „ohne jedes Zögern“ festzunehmen. Darunter ist Ashraf, der beschuldigt wird, in seiner Zeit als Energieminister von Stromfirmen Schmiergeld angenommen zu haben. Zwischen dem Verfassungsgericht und der von der Volkspartei PPP geführten Regierung herrscht seit Jahren Streit.

Im Fall einer Verurteilung müsste mit Ashraf bereits der zweite Regierungschef seit vergangenem Juni sein Amt niederlegen. Kurz vor der Anordnung des Gerichts hatte der muslimische Geistliche Muhammad Tahir ul Qadri in Islamabad den Rücktritt der Regierung verlangt.

Tausende Anhänger Qadris nahmen die Nachricht aus dem Gericht mit Jubel auf. Qadri hatte einen Protestzug von Lahore nach Islamabad angeführt. Nach der Ankunft in der Hauptstadt sagte er: „Der lange Marsch ist beendet. Jetzt beginnt eine Revolution.“

Innenminister Rehman Malik sagte nach dem Gerichtsbeschluss, Ashraf „war Premierminister und wird Premierminister bleiben“. Informationsminister Qamar Zaman Kaira sagte dem Sender Geo TV, die Regierung habe keine „schriftliche Anordnung“ des Gerichts erhalten. Die Legislaturperiode in Pakistan läuft im März ab. Dann übernimmt laut Verfassung eine Übergangsregierung für 60 Tage, um Parlamentswahlen vorzubereiten.

Im aktuellen Fall hatte die Regierung während Ashrafs Zeit als Energieminister zwischen 2008 und 2011 Privatfirmen mit dem Bau von Kraftwerken beauftragt. Bei der Auftragsvergabe soll den Vorwürfen zufolge Geld zurück an Regierungsvertreter geflossen sein. Viele Kraftwerke wurden nie gebaut. Die Energiekrise mit stundenlangen Stromausfällen dauert bis heute an.

Das Verfassungsgericht stoppte das Projekt im März 2012 und verhängte hohe Geldstrafen gegen die Firmen. Das Gericht wies die Anti-Korruptionsbehörde außerdem an, Anklagen gegen Beschuldigte vorzubereiten, darunter Ashraf. Im vergangenen April war er mehr als drei Stunden lang von der Behörde verhört worden.

Die pakistanische Regierung steht außerdem im Kaschmir-Konflikt und durch anhaltende Terrorangriffe unter Druck. Indien verschärfte den Ton gegenüber der Regierung in Islamabad am Dienstag weiter.

„Nach dieser barbarischen Tat kann es nicht weitergehen wie bisher“, sagte Premierminister Manmohan Singh mit Blick auf zwei Soldaten, deren Leichen nach indischen Angaben von pakistanischen Truppen verstümmelt wurden. Islamabad weist das zurück und bezichtigt Indien, zwei pakistanische Soldaten bei Verletzungen des Waffenstillstands getötet zu haben.