Rücktritt von Sócrates stürzt Portugal in die Krise
Lissabon (dpa) - Fiasko und neue Ungewissheit im Kampf gegen die europäische Schuldenkrise: Im hoch verschuldeten Euro-Land Portugal hat der Rücktritt von Regierungschef José Sócrates am Mittwoch nur wenige Stunden vor Beginn des wichtigen EU-Gipfels in Brüssel eine schwere Krise ausgelöst.
Mit seinem Rücktritt zog der Sozialist die Konsequenzen aus der Ablehnung seines jüngsten Sparpakets durch die Opposition bei einer Abstimmung am Abend im Parlament von Lissabon. Präsident Anibal Cavaco Silva muss nun Neuwahlen ausrufen.
„Die Opposition hat nicht nur das Sparpaket, sondern das gesamte Land blockiert“, klagte Sócrates in einer im Fernsehen übertragenen Rede an die Nation. Man habe ihm in bewusster Form jede Regierungsfähigkeit entzogen, so der 53-jährige Politiker der Sozialistischen Partei (PS), der das Amt des Ministerpräsidenten seit März 2005 innehatte. Sócrates fügte hinzu, die Ablehnung des Pakets werde sehr schlimme Konsequenzen für den Kampf gegen die Finanzkrise im hoch verschuldeten ärmsten Land Westeuropas haben sowie auch die Glaubwürdigkeit Portugals in Mitleidenschaft ziehen.
Die gesamte Opposition votierte im Parlament gegen das Sparpaket der Minderheitsregierung. Es handelte sich bereits um das vierte Sanierungsprogramm, das die Sozialisten innerhalb der vergangenen elf Monate präsentiert hatten. Bislang hatte die Opposition alle Sparpakete mitgetragen. Die Vorschläge von Sócrates sahen unter anderem ein Einfrieren der niedrigsten Mindestrenten und weitere Sozialkürzungen vor.
Am Montag hatte neben anderen Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos gewarnt, eine politische Krise werde „einen kräftigen Stoß darstellen, der das Land in die Arme der ausländischen Hilfe treiben kann“. Sócrates hatte zuletzt mehrfach erklärt, er werde auf keinen Fall externe Finanzhilfe beantragen, sondern lieber seinen Hut nehmen und bei Neuwahlen wieder für die PS kandidieren.
Die Sozialistische Partei brauchte bei der Durchsetzung ihrer Sparpläne die Unterstützung der Opposition, weil sie seit den Wahlen von 2009 nur 97 von insgesamt 230 Abgeordneten des Parlaments stellt. Bisher hatte die konservativ orientierte Partei der Sozialdemokratie PSD alle Sparpakete der PS mitgetragen. PSD-Chef Pedro Passos Coelho meinte aber jetzt, man könne Portugal nun nicht einfach „nur Brot und Wasser verordnen“.
Nach einem Negativ-Rekord von rund 9,4 Prozent 2009 und den für 2010 angepeilten 7,3 Prozent wollte Portugal sein Haushaltsdefizit dieses Jahr auf 4,6 Prozent drücken. Dazu verabschiedete das ärmste Land Westeuropas für 2011 einen umstrittenen Staatshaushalt mit nie dagewesenen Spar- und Sanierungsmaßnahmen. Die Ausgaben für Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst sollen um 5 Prozent gekürzt werden, die Mehrwertsteuer stieg von 21 auf 23 Prozent. Die Sozialleistungen werden gekürzt, die Renten eingefroren.