Mehr Soldaten für Afghanistan, keine für Libyen
Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat die Ausweitung des Afghanistan-Einsatzes beschlossen und die Bundeswehr damit komplett aus dem Libyen-Konflikt herausgezogen. Bis zu 300 Soldaten sollen sich künftig an Awacs-Aufklärungsflügen am Hindukusch beteiligen, um verbündete Staaten im Libyen-Krieg zu entlasten.
Wegen der Nato-Operation zur Durchsetzung des Waffenembargos gegen das Gaddafi-Regime zog sich die Bundeswehr ganz aus den Bündnisverbänden im Mittelmeer zurück. Die Grünen kritisierten das Ausscheren und forderten eine Bundestagsentscheidung über eine Beteiligung an dieser Operation.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wies den Vorwurf der Isolation Deutschlands in der Libyen-Krise zurück. Die Bundesregierung wolle „mit allen anderen auf der Welt das Ende eines Krieges, den Gaddafi gegen sein eigenes Volk führt“, sagte sie in Frankfurt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) nannte den Awacs-Einsatz einen Ausdruck der deutschen Bündnissolidarität. „Die Lage in Libyen hat auch die Lage insgesamt verändert.“
Der Bundestag wird dem Awacs-Einsatz am Freitag voraussichtlich mit breiter Mehrheit zustimmen. Die Fraktionen von Union und FDP sprachen sich in Sondersitzungen einmütig dafür aus, in der SPD-Fraktion waren lediglich 19 von 146 Abgeordneten dagegen. Die Linke will gegen den Einsatz stimmen. Die Grünen ließen ihre Haltung noch offen, setzten sich aber für einen Marine-Einsatz zur Durchsetzung des Waffenembargos ein. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast sagte, sie wundere sich, dass die Regierung kein entsprechendes Mandat vorlege.
In Afghanistan werden künftig bis zu 5300 deutsche Soldaten eingesetzt - mehr als je zuvor seit Beginn des Einsatzes 2001. Zunächst sollen nach Angaben des Verteidigungsministeriums 70 bis 100 Soldaten bei den Flügen der vier Nato-Maschinen mitwirken. Die Regierung will trotzdem bei ihren Plänen für einen Abzug ab Ende des Jahres bleiben.
Nach Ansicht von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ist der Awacs-Einsatz unabhängig vom Nein zu einer Kriegsbeteiligung in Libyen notwendig. „Auch ohne die Entwicklung in Libyen wäre es sinnvoll und nötig“, sagte der Ex-Innenminister in seiner ersten Rede im neuen Amt vor dem Bundestag. Wegen Libyen sei der Einsatz ohne die Deutschen nicht machbar und diene auch dem Schutz deutscher Soldaten. Das Ausscheren der deutschen Marine aus Nato-Verbänden im Mittelmeer nannte er konsequent.
Deutschland hat eine Beteiligung an Militäraktion gegen Libyen ausgeschlossen. Weil die Nato am Dienstag mit einem Marine-Einsatz zur Umsetzung des vom UN-Sicherheitsrat beschlossenen Waffenembargos gegen Libyen begonnen hatte, zog die Bundesregierung zwei Schiffe und zwei Boote mit mehr als 500 Soldaten Besatzung aus den Nato-Verbänden ab und stellte sie wieder unter deutsches Kommando. Zugleich lief die Rückkehr von 60 bis 70 deutschen Besatzungsmitgliedern der Nato-Awacs-Maschinen im Mittelmeerraum an.
SPD-Fraktionsvize Gernot Erler nannte die Begründung der Regierung zum Awacs-Einsatz eine „politische Mogelpackung“. Schwarz-Gelb biete den Verbündeten eine „fein in Geschenkpapier verpackte Leistung“ an, die im April ohnehin fällig geworden wäre. Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour sprach von unseriösem „Kuhhandel“. Der Linke-Abgeordnete Wolfgang Gehrcke nannte es eine „ziemlich perverse Logik, den Krieg in Afghanistan zu verschärfen, weil man den anderen Krieg nicht will“.
Die Awacs-Aufklärungsflugzeuge sind Spezialversionen der Boeing 707, die Flugzeuge, Schiffe und andere Objekte in bis zu 400 Kilometern Entfernung orten und identifizieren können. Die Nato hatte den Awacs-Einsatz in Afghanistan Mitte Januar gestartet. Deutschland lehnte eine Beteiligung für die ersten 90 Tage damals ab, um sich auf die Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte zu konzentrieren.